Mit Urt. v. 6.7.2016 – IV ZR 44/15 – zfs 2016, 634 hat der BGH die in den MB/KT enthaltene Befugnis des VR, die Höhe des vertraglich zugesagten Krankentagegeldes – eine wichtige abgesicherte Entgeltersatzleistung – entsprechend einem gesunkenen Nettoeinkommen herabzusetzen, zwar nicht wegen einer unangemessenen Benachteiligung des VN, wohl aber wegen Intransparenz, für unwirksam erklärt. Grund dafür war, dass der "durchschnittliche, verständige Versicherungsnehmer" weder erkennen konnte, wie sich das "Nettoeinkommen" als Maßstab der Bemessung des Krankentagegeldes errechnet, noch, was der maßgebliche Bemessungszeitpunkt und der Bemessungszeitraum (als Auslöser der Veränderung der Leistungspflicht) sein sollten.
VR haben, wie die abgedruckte Entscheidung zeigt, darauf reagiert. Ob die Reaktion genügt, wird die Zukunft zeigen. Die Klausel, über deren Wirksamkeit zu entscheiden war, betraf nur die Herabsetzung des Krankentagegeldes für den Fall der Arbeitslosigkeit und des Bezuges von Arbeitslosengeld. Insoweit hat das OLG akzeptiert, dass die neue Klausel als Referenzzeitraum ausschließlich jenen des Bezuges von Arbeitslosenunterstützung deklariert, und als Referenzmaßstab den täglichen Leistungssatz zuzüglich einer Sozialversicherungspauschale bestimmt. Stellt Letzteres eine klare Bemessungsgrundlage dar, dürfen zu erstem Auslegungszweifel geäußert werden. Für den in Arbeit stehenden Arbeitnehmer ist als Grundlage der Berechnung des Krankentagegeldes nach § 4 Abs. 4 MB/KT (n.F.) das durchschnittliche Nettoeinkommen der letzten 12 Monate maßgeblich, die der Kenntnis des VR von dem Sinken des Entgelts oder von dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vorausgegangen sind. Wenn für arbeitslos Gewordene der Zeitraum des Bezugs von Arbeitslosengeld maßgeblich sein soll, muss das (wohl?) so verstanden werden, dass nur ein Zeitraum von 12 Monaten des Bezuges von Arbeitslosengeld maßgeblich sein soll. Alles andere würde dazu führen, dass schon eine vergleichsweise kurzzeitige Arbeitslosigkeit die Herabsetzungsbefugnis auslösen könnte. Das ergibt sich aber nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut der Klausel selbst. Offen ist damit also, ob bei kürzeren Zeiträumen ein Durchschnitt von Nettoeinkommen und Arbeitslosenunterstützung zu bilden ist – das ist indessen nicht klar formuliert. Dem Wortlaut der Klauselersetzung könnte damit entnommen werden, dass – anders als bei Einkommensveränderungen in Arbeit stehender VN – eine sofortige Anpassung der Leistungshöhe an den Eintritt von Arbeitslosigkeit zulässig wäre. Dass sich das dem durchschnittlichen, verständigen VN erschließt, und dass das dann auch einem fairen Interessenausgleich entspräche, liegt jedenfalls nicht auf der Hand.
Prof. Dr. Roland Rixecker
zfs 2/2021, S. 96 - 100