Zitat

… Die Klage ist … begründet.

Der Bescheid vom 8.1.2020 ist rechtswidrig und verletzt die Kl. daher in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf Anerkennung des am 12.12.2019 erlittenen Unfalls als Dienstunfall (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Die Kl. genießt als Beamtin des Landes Hessen Dienstunfallschutz gemäß § 35 Abs. 1 HBeamtVG in der Fassung des 2. Dienstrechtsmodernisierungsgesetzes v. 27.5.2013 (GVBl. S. 218) soweit sich ein Dienstunfall ereignet.

Bei dem Sturz der Kl. am 12.12.2019 handelt es sich um einen Dienst- bzw. Wegeunfall i.S.d. § 36 Abs. 1 und 2 HBeamtVG.

Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 HBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Nach § 36 Abs. 2 Satz 1 HBeamtVG gilt als Dienst auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges zur und von der Dienststelle.

Obgleich der Weg zur und von der Dienststelle nicht zum Dienst gehört, wird der Schutz der Unfallfürsorge auf die Teilnahme am allgemeinen Verkehr ausgedehnt, weil sie dienstlich veranlasst ist. Erfasst werden die typischen wie auch die atypischen Gefahren des allgemeinen Verkehrs. Danach steht der Dienstherr mit den Leistungen der Unfallfürsorge für einen Gefahrenbereich ein, den er regelmäßig nicht beherrscht und auch nicht beeinflussen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.5.2004 – 2 C 29.03 –, juris Rn 10).

Der Gesetzgeber hat den Wegeunfall dem Dienstunfall lediglich gleichgestellt und damit zu erkennen gegeben, dass der Weg zwischen Dienststelle und Wohnung im beamtenrechtlichen Sinne kein Dienst ist. Die Gleichstellung dient der Erweiterung der Unfallfürsorge des Dienstherrn auf die außerhalb des privaten Lebensbereichs herrschenden Gefahren des allgemeinen Verkehrs, die weder der Dienstherr noch der Beamte im Wesentlichen beeinflussen können. Die gesetzestechnische Konstruktion der Gleichstellung durch eine gesetzliche Fiktion, ferner Sinn und Zweck sowie die Konzeption der Vorschrift als Ausnahmeregelung lassen jedoch erkennen, dass es nicht zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Ausdehnung der Unfallfürsorge auf die im Wesentlichen vom Beamten beherrschten privaten Lebensbereiche kommen soll. Das zwingt zur restriktiven Auslegung der Vorschrift mit der Folge, dass grundsätzlich sämtliche Bereiche nicht vom Dienstunfallschutz erfasst sind, in denen der Beamte die dort gegebene Unfallgefahr im Wesentlichen selbst beherrschen und beeinflussen kann (vgl. BVerwG, Urteile v. 26.11.2013 – 2 C 9.12 –, juris Rn 8, v. 9.12.2010 – 2 A 4.10 –, juris Rn 12, u. v. 27.1.2005 – 2 C 7.04 –, juris Rn 11 zu § 31 BeamtVG).

Deshalb sind Schadensereignisse in einem vom Beamten selbst beherrschten privaten Lebensbereich, die seiner Risikosphäre zuzurechnen sind, nicht vom Wegeunfallschutz erfasst, selbst wenn sie sich während eines Wegs zwischen Dienststelle und Wohnung ereignen. Damit gelten etwa Unfälle innerhalb des Wohngebäudes oder in einer privaten Garage des Beamten nicht als Wegeunfälle i.S.d. § 36 Abs. 2 Satz 1 HBeamtVG (vgl. zu § 31 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG: BVerwG, Urt. v. 26.11.2013 – 2 C 9.12 –, juris Rn 9 m.w.N.).

Zur Abgrenzung des von der Unfallfürsorge erfassten öffentlichen von dem nicht erfassten privaten Lebensbereich des Beamten hat sich in der Rechtsprechung mit der Außentür des Wohngebäudes des Beamten eine grundsätzliche räumliche Grenzziehung herausgebildet. Diese räumliche Grenzziehung ist gewählt worden, um den Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage zu begegnen, welche Teile des häuslichen Bereichs der tatsächlichen Machtsphäre des Beamten zuzuordnen sind. Die mit der Außentür gewählte schematische Abgrenzung wird herangezogen, weil sie sich an objektiven Merkmalen orientiert und deshalb im Allgemeinen leicht feststellbar ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.2005 – 2 C 7.04 –, juris Rn 12; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.5.2018 – OVG 4 B 15.17 –, juris Rn 18 ff.).

Bei einem Unfall, den ein Beamter auf dem Weg zur oder von der Dienststelle erleidet, wird Dienstunfallschutz gewährt, wenn der Weg im Dienst seine wesentliche Ursache hat, wenn also andere mit dem Dienst nicht zusammenhängende Ursachen für das Zurücklegen des Weges in den Hintergrund treten. Der Beamte muss sich auf dem – unmittelbaren – Weg zwischen seiner Dienststelle und seiner regelmäßigen häuslichen Unterkunft befinden, um sich zum Dienst zu begeben oder aus dem Dienst in seinen privaten Lebensbereich zurückzukehren. Der Wegeunfallschutz ergänzt vor- und nachgehend den Dienstunfallschutz. Ein Wegeunfall muss auf einer Strecke eingetreten sein, deren Nutzung dienstlich bedingt ist. Auch das Zurücklegen des Weges von der Außentür des Wohnhauses zu einem Fahrzeug, um mit ihm die Fahrt zur Arbeitsstätte anzutreten, unterfällt daher grundsätzlich dem Dienstunfallschutz. Weicht der Beamte auf dem Weg zum oder vom Dienst von dem normalerweise zum Erreichen der Dienststelle oder der Wohnung geboten...

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