… Der Kl. hat gegen die Bekl. im tenorierten Umfang Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen Aufwendungen aus der Behandlungsrechnung der Kieferorthopädin D vom 31.12.20017.
Die Bekl. war nicht berechtigt, nach § 19 Abs. 4 S. 2 VVG eine Anpassung des Versicherungsvertrags durch Aufnahme des streitgegenständlichen Risikoausschlusses durchzuführen. Es fehlt bereits an einer Anzeigepflichtverletzung durch den Kl. im Sinne des § 19 Abs. 1 VVG. Danach hat der VN bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung dem VR die ihm bekannten Gefahrumstände anzuzeigen, die für den Entschluss des VR, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der VR in Textform gefragt hat.
Mit der Antragsfrage zu Ziffer 1 erfragte die Bekl. Beschwerden, Krankheiten, Anomalien und Unfallfolgen in den letzten drei Jahren, die nicht ärztlich behandelt wurden. Mit der Antragsfrage zu Ziffer 2 erfragte sie, ob in den letzten drei Jahren Behandlungen bzw. Untersuchungen "von Ärzten und/oder Angehörigen anderer Heilberufe (z.B. Zahnarzt, Heilpraktiker) durchgeführt und/oder sonstige Gesundheitsstörungen/Anomalien festgestellt" wurden.
Zwar hat der Kl. die zahnärztlichen Untersuchungen seiner Tochter nicht angezeigt, hierauf aber hat die Bekl. ihr Vertragsanpassungsrecht nicht gestützt. Im Übrigen wären Kontrolluntersuchungen auch offenkundig nicht anzeigepflichtig.
Unstreitig ist, dass bei der Tochter des Kl. ein Engstand der Molaren vorlag, mithin ein Engstand im Backenzahnbereich, der bei den durchgeführten kinderzahnärztlichen Untersuchungen festgestellt wurde und dem Kl. bekannt war. Bei dem Engstand handelt es sich unzweifelhaft nicht um eine Unfallfolge noch hatte die Tochter des Kl. Beschwerden. Auch litt diese nicht an einer Krankheit. Eine Krankheit im versicherungsvertraglichen Sinne ist ein anomaler Körper- oder Geisteszustand, der eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt (Kalis in: Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 5. Auflage, 2015, MB/KK § 1 Rn 45 m.w.N.). Dass der Engstand im Molarenbereich im nachgefragtem Zeitraum eine solche Störung der körperlichen Funktionen mit sich brachte, behauptet die Bekl. aber nicht. Sie hat vielmehr darauf abgestellt, dass es sich bei dem Engstand um eine Anomalie handele und der Kl. deswegen gehalten gewesen wäre, die Zahnfehlstellung in Form des Engstandes anzugeben.
Die Antragsfrage nach Anomalien ist jedoch unklar. Wie der Senat bereits … entschieden hat, ist für den durchschnittlichen VN nicht erkennbar, was unter einer Anomalie zu verstehen ist. Die dortigen Erwägungen sind auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt übertragbar, da der Entscheidung die gleichen Antragsfragen zugrunde lagen:
Zitat
Antragsfragen sind aus der Sicht eines verständigen und um Aufmerksamkeit bemühten VN auszulegen, und zwar vor dem Hintergrund der Versicherung, die abgeschlossen werden soll und dem daraus für ihn erkennbaren Aufklärungsinteresse des VR (BeckOK VVG-Spuhl, Stand: 15.3.2020, § 19 Rn 32). Laut Duden versteht man unter einer Anomalie eine Abweichung vom Normalen, eine körperliche Fehlbildung. Diese Begriffsbestimmung zugrunde gelegt erscheint schon zweifelhaft, ob Zahn- und Kieferfehlstellungen hierunter fallen. Denn unter einer körperlichen Fehlbildung dürfte der durchschnittliche VN wohl eher eine Missbildung, eine Behinderung verstehen. Dies gilt insbesondere auch aufgrund der in dem Formular genannten Beispiele, wenn dort die Rede von Implantaten, auch Brustimplantaten, ist. Für den durchschnittlichen VN ist nicht erkennbar, wo die Grenze zwischen bloßem "Schönheitsfehler" und Anomalien zu ziehen ist. Vielmehr bleibt dies seiner subjektiven Einschätzung vorbehalten.
Jedenfalls aber verlangt die Frage nach Anomalien dem VN eine Wertung ab. Fragen, die dem VN Wertungen abverlangen, sind unzulässig. Sie begründen deshalb keine Anzeigepflicht. Die Grenzen solcher Fragen bleiben schwimmend, wie man am vorliegenden Falle sieht, und sind damit unklar (Beckmann/Matusche-Beckmann/ Kneppmann, 2015, § 14 Rn 33). Im Hinblick auf den eindeutigen Willen des VVG-Reformgesetzgebers, dem VN das Risiko der Fehleinschätzung der Gefahrerheblichkeit eines Umstands abzunehmen und dem VR das Risiko aufzuerlegen, nach einem für ihn erheblichen Umstand nicht zu fragen, müssen Antragsfragen, die einen Umstand nicht eindeutig erfassen, zulasten des VR gehen (Schäfers, VersR 2017, 989).
Selbst wenn man derart weit gefasste Fragen für zulässig hält, wird dem VN damit im Ansatz eine Wertung der Risikoerheblichkeit aufgegeben, obwohl dies Sache des VR ist. Der VR muss nach den einer Wertung zugrundeliegenden Tatsachen fragen. Zumindest ist die Antwort daher erst dann falsch, wenn sie mit der persönlichen Meinung des VN nicht übereinstimmt (BGH, VersR 1965, S. 654; …).
Nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG muss der Anzeigepflichtige zudem nur "die ihm bekannten Gefahrumstände" anzeigen. Die Anzeigepflicht entsteht daher nur, soweit der Anzeigep...