StVO § 3
Leitsatz
Leitsatz:
Durch die fehlende Speicherung sog. Rohmessdaten und Hilfsgrößen wird der Betroffene nicht in seinen Verteidigungsrechten unfair beeinträchtigt (btr. Poliscan FM1, Softwareversion 4.4.9).
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 1.12.2021 – 1 OWi 2 SsBs 100/21
Sachverhalt
Der Betroffene befuhr die BAB 6. Die mittels eines Geschwindigkeitstrichters (100 km/h – 80 km/h – 60 km/h) herabgeregelte Höchstgeschwindigkeit betrug am Messort 60 km/h. Der Betroffene wurde mit dem Messgerät PoliScan FM 1 (Softwareversion 4.4.9) mit einer Geschwindigkeit (vor Toleranzabzug) von 95 km/h gemessen. Die Geschwindigkeitsüberschreitung, so das AG, war ihm bewusst und von ihm billigend in Kauf genommen worden. Das OLG Zweibrücken hat die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unbegründet verworfen, jedoch den Tenor des Urteils dahingehend berichtigt, dass der Betroffene wegen vorsätzlichen Überschreitens der erlaubten Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 260,00 EUR verurteilt ist.
2 Aus den Gründen:
[…] II. Die Rechtsbeschwerde rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
1. Die – nicht näher ausgeführte – Sachrüge ist unbegründet. Das Amtsgericht hat lediglich versehentlich in der Entscheidungsformel eine Übertretung innerhalb geschlossener Ortschaften tenoriert. Ausweislich der im schriftlichen Urteil enthaltenen Angaben zum Ort der Geschwindigkeitsmessung (der dem Senat aus zahlreichen anderen Bußgeldverfahren sowie eigener Ortskenntnis bekannt ist) befindet sich die fragliche Messstelle außerhalb des Stadtbereichs von Kaiserslautern. Das Amtsgericht hat – insoweit folgerichtig – bei der Bemessung der Geldbuße auf den in Nr. 11.3.6 BKatV für Übertretungen außerhalb geschlossener Ortschaften genannten Betrag abgestellt. Dies belegt, dass es sich bei der Bezeichnung "innerhalb" um ein offensichtliches Verkündungsversehen handelt, welches der Senat beheben kann.
Im Übrigen hat die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Prüfung des Urteils keinen den Betroffenen benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
2. Die formgerecht erhobene Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren, mit der der Betroffene den fehlenden Zugang zu den seine Messung betreffenden Rohmessdaten (sog. Wegstreckenwerte) beanstandet, erweist sich ebenfalls als nicht durchgreifend:
a) Der Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
aa) Der Verteidiger des Betroffenen hat nach Erhebung eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid mit Schriftsatz vom 9.2.2021 u.a. beantragt, Einsicht "in die Falldatensätze der gesamten tatgegenständlichen Messreihe mit Rohmessdaten/Einzelwerten" zu erhalten; zugleich hat er "vorsorglich" einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Mit Beschl. v. 9.6.2021 hat das Amtsgericht der Bußgeldbehörde aufgegeben, dem Betroffenen durch seinen Verteidiger "Einsicht in die Messreihe vom Tattag (9.9.2020) zu gewähren". Mit Schreiben vom 16.6.2021 hat die Bußgeldbehörde dem Verteidiger eine Daten-CD überlassen. Mit Schriftsatz vom 4.8.2021 hat der Verteidiger (nach mittlerweile erfolgter Abgabe der Sache gem. § 69 Abs. 3 OWiG) dem Amtsgericht ein Gutachten des von ihm beauftragten Sachverständigen für Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen im Straßenverkehr O. N. übermittelt. Zugleich hat er für die anstehende Verhandlung die Erhebung eines Widerspruchs gegen die Verwertung der Messung angekündigt und zu dessen Begründung ausgeführt, bei der verwendeten Messgerätesoftware 4.4.9 könne anhand der XML-Textdatei weder eine exakte, noch eine näherungsweise Berechnung der dokumentierten Geschwindigkeit durchgeführt werden.
bb) Aus dem vorgelegten Gutachten des Privatsachverständigen – welches nach den schriftlichen Urteilsgründen auch Gegenstand der erstinstanzlichen Hauptverhandlung gewesen war und welches der Verteidiger mit der Rechtsbeschwerde sowohl vorgelegt als auch in den wesentlichen Aussagen zusammengefasst mitgeteilt hat – gilt in technischer Sicht Folgendes (s.a.: Senat Beschl. v. 28.2.2018 – 1 OWi 2 Ss Bs 106/17, juris Rn 18):
Die Erfassung der zu messenden Fahrzeuge basiert bei dem gegenständlichen Messverfahren auf einem scannenden LIDAR, also einem Messkopf (Polygonspiegel), der kurze Lichtimpulse in gebündeltem Strahl aussendet. Der Strahl wird nach Reflexion an einem Objekt (Pkw/Lkw) vom Empfänger des LIDAR empfangen und ausgewertet. Aus der gemessenen Signallaufzeit vom Sender zum reflektierenden Objekt und zurück wird die Distanz zwischen Messkopf und angestrahltem Objektpunkt berechnet. Ein Scan in Form eines einfachen Schwenks über die Fahrbahn führt zu 158 ausgesandten Laserimpulsen. Die Auswerteeinheit des Systems fertigt für jedes zu messende Fahrzeug innerhalb des Systems ein 3D-Modell und bestimmt für dieses im Überwachungsbereich die durchschnittlich gefahrene Geschwindigkeit auf der Grundlage der vom LIDAR-Messkopf als Rohdaten für alle rückstrahlenden Objektpunkte im Scannbereich gelieferten Daten. Dem Beweisbild wird durch das Messgerät jeweils eine xml-Textdatei beigefügt, die m...