Wenn der Verkehrsgerichtstag auf einmal im Sommer stattfindet, ist nichts mehr so, wie es mal war. Es zeigt sich vor allem, dass man auf eine sich stetig verändernde Welt flexibel reagieren muss, und dabei auch manchmal althergebrachte Traditionen in Frage gestellt werden müssen.
Vergleicht man die Situation im Verkehrsrecht mit der vor etwa 20 Jahren, wird auch klar, dass zwar nicht alles, aber vieles, nicht mehr so ist, wie es mal war. Grundsätzlich ist es für die Anwälte nach wie vor erfreulich, dass die Schadenregulierung mit all ihren Facetten nach wie vor genügend Streitigkeiten und damit das Potenzial für anwaltliche Tätigkeit produziert. Vollständig geändert hat sich jedoch die Position des Verkehrsrechtsanwalts. Früher war die Regulierung von Verkehrsunfällen und die Interessenvertretung im verkehrsrechtlichen Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren das Brot- und Buttergeschäft vieler Kanzleien, die allgemein aufgestellt gewesen sind. Seit der Einführung des Fachanwaltes für Verkehrsrecht lässt sich eine deutliche Konzentration der Mandate auf die Fachanwältinnen und Fachanwälte beobachten.
Zwischenzeitlich ist dieses Phänomen jedoch durchaus in eine andere Dimension erwachsen. Seit auch in der konkreten Schadenabrechnung nicht mehr jede Rechnung ungeprüft akzeptiert wird, suchen seit einigen Jahren auch Autohäuser und Reparaturbetriebe, die früher nicht immer uneingeschränkt glücklich waren, wenn ein Rechtsanwalt an der Schadenregulierung mitgewirkt hat, immer mehr die (fach-)anwaltliche Vertretung. Hier aber ist deutlich zu merken, dass bundesweit immer mehr Verfahren von immer weniger, dafür großen und hochspezialisierten Kanzleien übernommen werden.
Das Verkehrsrecht ist somit vom natürlichen Begleiter des Allgemeinanwalts zu einer Spezialmaterie geworden, die auch mehr und mehr von Spezialisten auf einem konzentrierten Markt bearbeitet wird.
Ein weiteres Problem für die Anwaltschaft ist der stetig wachsende Markt von Legal-Tech Unternehmen, die sich, namentlich im Ordnungswidrigkeitenbereich, vorzugsweise für rechtsschutzversichertes Klientel interessieren und durch niederschwelligen Zugang in erheblicher Zahl Mandate für sich generieren. Dies wird sich bei wachsender Digitalisierung nicht ändern.
Man darf also feststellen, dass der "klassische" Rechtsanwalt vor Ort, der in räumlicher Nähe, und im persönlichen Kontakt mit seinem Mandanten dessen Probleme löste, wobei namentlich die Kenntnis der Rechtsprechung und Personen vor Ort von erheblicher Bedeutung war, es zunehmend schwer hat, sich gegenüber der überörtlich operierenden, hochprofessionell aufgestellten Konkurrenz zu behaupten.
Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht hatte seit ihrer Gründung den Anwalt vor Ort im Blick. Jedoch erfordert der aufgezeigte Wandel, dass auch die Ausrichtung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht sich an die geänderten Umstände anpasst, um ihren Mitgliedern unterstützend zur Seite zu stehen.
Zu diesem Zweck wird der geschäftsführende Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht in diesem Jahr, soweit es die Coronalage hoffentlich im Sommer zulässt, einmal mehr eine Strategiesitzung durchführen, um sicherzustellen, dass die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht ihren Mitgliedern als hilfreicher und starker Partner auch in geänderten Zeiten zur Seite stehen kann. Für Ihre Anregungen sind wir offen, Ideen sind jederzeit willkommen. Gerade in der aktuellen Zeit ist es von Vorteil, sich zu organisieren und durch Bündelung gemeinschaftlichen Wissens gemeinsam nicht nur die Interessen der Mandanten, sondern auch die der Anwälte zu vertreten. Hierfür werden wir auch in Zukunft stehen.
Autor: Nicolas Eilers
RA Nicolas Eilers, FA für Verkehrsrecht, FA für Versicherungsrecht
zfs 2/2022, S. 61