Berücksichtigung des Zahlungseinwandes

Der vorstehend abgeduckten Entscheidung des Bay. VGH und dem Beschluss des LG Berlin hier ist der Unterschied zu entnehmen, der im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG einerseits und im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 f. ZPO andererseits zu beachten ist. Während im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG ein materiell-rechtlicher Einwand, der nicht völlig haltlos ist, zur Ablehnung der Festsetzung gem. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG führt, ist ein solcher Einwand im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist nämlich zur Klärung streitiger Fragen nicht vorgesehen und auch nicht geeignet (BGH RVGreport 2007, 110 [Hansens]; BGH RVGreport 2006, 223 [Ders.] = AGS 2007, 219; OLG Celle RVGreport 2017, 159 [Ders.] = AGS 2018, 39: Nichtigkeit des Anwaltsvertrages). Ausnahmsweise können materiell-rechtliche Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren dann berücksichtigt werden, wenn es um Einwendungen geht, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen. Ein solcher Ausnahmefall kann etwa dann vorliegen, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen, weil sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können. So ist etwa der vom Erstattungspflichtigen erhobene Einwand, die Erstattungsforderung sei verjährt, vom Rechtspfleger zu prüfen und zu bescheiden (BGH RVGreport 2006, 223 (Hansens) = AGS 2007, 219).

Im Fall des LG Berlin waren zwar die beiden Teilzahlungen der Beklagten, die in ihrer Summe dem im Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenbetrag entsprochen haben, unstreitig. Jedoch war zwischen den Beteiligten streitig, ob der Prozessbevollmächtigte der Kläger diese ohne Zahlungszweck geleisteten Zahlungen zurecht auf andere Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte (Mietrückzahlungsansprüche) verrechnet hat. Dieser Streit war nach Auffassung des LG Berlin im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu entscheiden.

Tilgungsbestimmung aus den Umständen

Jedoch stellt sich die Frage, ob hier im Kostenfestsetzungsverfahren die als solche unstreitige Zahlung nicht doch hätte berücksichtigt werden können. Umstritten war hier allein die Erfüllungswirkung. Das LG Berlin weist zu Recht darauf hin, dass sich angesichts des Umstandes, dass die Beklagte bei den beiden Überweisungen den Zahlungszweck nicht mitgeteilt hatte, diese Zahlungen dann nach Maßgabe der §§ 366, 367 BGB auf ältere Forderungen der Kläger zu verrechnen gewesen wären.

Allerdings hätte das LG Berlin m.E. prüfen müssen, ob sich der Zweck der beiden Teilzahlungen nicht aus den Umständen ergibt. Den Klägern stand aufgrund ihrer erfolgreichen Feststellungsklage ein Rückzahlungsanspruch wegen der unter Vorbehalt gezahlten Mieterhöhung in Höhe von 39,97 EUR ab März 2020 zu. Bis wann die Kläger diese der Beklagten nicht zustehende Mieterhöhung gezahlt hatten, lässt sich den Beschlussgründen nicht entnehmen. Immerhin ist davon auszugehen, dass diese spätestens mit Erlass des amtsgerichtlichen Urteils die Zahlungen eingestellt haben. Ebenso wenig lässt sich der Entscheidung des LG Berlin entnehmen, ob die Kläger ihre Rückzahlungsforderungen überhaupt gegen die Beklagte geltend gemacht hatten.

Außerdem hätte sich die Frage gestellt, warum die Beklagte ausgerechnet in zwei Teilbeträgen einen Geldbetrag an die Prozessbevollmächtigten der Kläger gezahlt hat, der genau dem Erstattungsbetrag entspricht, nicht jedoch etwa einem Vielfachen des monatlichen überzahlten Mietzinses in Höhe von 39,97 EUR. Die Tilgungsbestimmung kann nämlich stillschweigend getroffen werden (BGH NJW 2010, 2208). Sie liegt darin, dass der hier in zwei Teilzahlungen geleistete Betrag gerade dem Betrag einer der mehreren Forderungen der Kläger gegen die Beklagte, nämlich dem Kostenerstattungsanspruch entsprochen hat (BGH NJW 2001, 3781; BGH NJW 2008, 338). Außerdem wäre interessant zu wissen gewesen, wann der Beklagten der Antrag auf Kostenfestsetzung zugegangen ist. Erfolgte nämlich die Zahlung nach Zugang des genau auf den Betrag von 229,12 EUR lautenden Kostenfestsetzungsantrags, so spricht vieles dafür, dass die Beklagte genau diesen Betrag erstatten wollte.

Die Beklagte hätte allerdings den Streit über die Erfüllungswirkung ganz einfach vermeiden können, wenn sie nur auf den Überweisungsträgern den Zahlungszweck angegeben hätte.

Exkurs: Anfall und Erstattungsfähigkeit der Hebegebühr

Die Entscheidung des LG Berlin gibt Anlass, Ausführungen zur Hebegebühr zu machen.

Anfall der Hebegebühr

Für die Auszahlung von entgegengenommenen Geldbeträgen, auch für unbare Zahlungen (siehe Abs. 1 und 2 der Anm. zu Nr. 1009 VV RVG), steht dem Rechtsanwalt die in Nr. 1009 VV RVG bestimmte Hebegebühr zu. Ist – wie hier – Geld von dem Rechtsanwalt in mehreren Beträgen gesondert ausgezahlt oder überwiesen worden, wird die Heb...

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