Strafprozessrecht
Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten gegen freigesprochene Angeklagte
Am 22.12.2021 ist das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung – Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gemäß § 362 StPO und zur Änderung der zivilrechtlichen Verjährung (Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit) v. 21.12.2021 in Kraft getreten (BGBl I S. 5252). Nach § 362 Nr. 5 StPO n.F. ist nunmehr die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten zulässig, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes (§ 211 des StGB), Völkermordes (§ 6 Abs. 1 VStGB), des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VStGB) oder des Kriegsverbrechens gegen eine Person (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) verurteilt wird. Zudem ist zukünftig die Verjährung zivilrechtlicher Ansprüche aus einem nicht verjährbaren Verbrechen ausgeschlossen (§ 194 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Zudem unterliegen auch Ansprüche aus einem familienrechtlichen Verhältnis, soweit sie auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustands für die Zukunft oder auf die Einwilligung in die genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung gerichtet sind, zukünftig nicht mehr der Verjährung (§ 194 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Die Unverjährbarkeit gilt allerdings nach Art. 229 § 63 EGBGB n.F. nur für Ansprüche, die am 30.12.2021 noch nicht verjährt waren.
Gewerbemietraumrecht
Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Geschäftsschließung (Urt. v. 12.1.2022 – XII ZR 8/21)
Der BGH hat mit Urt. v. 12.1.2022 (Az.: XII ZR 8/21) entschieden, dass im Fall einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB in Betracht kommt, wenn dem Mieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Diese Feststellung erfordere eine umfassende Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Deshalb komme eine pauschale Herabsetzung der Miete während des Schließungszeitraums um die Hälfte, weil das Risiko einer pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung der Mietsache keine der beiden Mietvertragsparteien allein treffe, nicht in Betracht. Bei der auf den Einzelfall bezogenen Abwägung sei zunächst von Bedeutung, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Diese bestünden primär in dem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung, wobei jedoch nur auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen sei. Zu berücksichtigen könne auch sein, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen habe oder habe ergreifen können, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Zu berücksichtigen seien auch die Vorteile, die der Mieter aus staatlichen Leistungen oder einer ggf. einstandspflichtigen Betriebsversicherung zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt habe. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen auf Darlehnsbasis blieben jedoch außer Betracht, weil der Mieter durch sie keine endgültige Kompensation der erlittenen Umsatzeinbußen erreiche. Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters sei nicht erforderlich. Schließlich seien bei der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 004/2022 v. 19.1.2022
Prozesskostenhilferecht
Prozesskostenhilfebekanntmachung 2022
Am 23.12.2021 ist die Bekanntmachung zu § 115 der Zivilprozessordnung (Prozesskostenhilfebekanntmachung 2022 – PKHB 2022) v. 17.12.2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl I S. 5239). Danach steigen die vom Einkommen der Partei nach § 115 Abs. 1 S. 3 ZPO abzusetzenden Beträge geringfügig. So steigt der Freibetrag für die erwerbstätige Partei nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 ZPO auf 223 EUR und der Freibetrag für die Partei und dessen Ehegatten bzw. Lebenspartner nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ZPO auf 491 EUR. Für die Landkreise Fürstenfeldbruck und Starnberg, den Landkreis München und die Landeshauptstadt München gelten wegen der höheren Lebenshaltungskosten etwas höhere Freibeträge.
Autor: Karsten Funke
Karsten Funke, Richter am Landgericht, München
zfs 2/2022, S. 62