BGB § 280 § 281 § 283 § 284 § 305 Abs. 1 S. 3
Leitsatz
1. Eine unzutreffende öffentliche Äußerung über eine Beschaffenheit einer im Internet angebotenen Kaufsache ist nicht wirksam berichtigt, wenn die öffentlich geäußerte Beschaffenheitsangabe aus dem Internetangebot nur kommentarlos gelöscht wird. Die gemäß § 434 Abs. 1 Satz 3, Halbsatz 2 BGB a.F. (§ 434 Abs. 3 Satz 3, Halbsatz 2 n.F.) erforderliche gleichwertige Weise der Berichtigung verlangt darüber hinausgehend einen ausdrücklichen Hinweis auf den vorherigen Irrtum.
2. Für einen gleichwertig berichtigenden ausdrücklichen Hinweis genügt es nicht, wenn der Verkäufer eines Oldtimer-Pkw dem Kaufinteressenten lediglich erklärt, es gebe keine "dokumentierte Historie" oder zur Existenz von "Schäden" könne er mangels Kenntnis "nichts sagen", wenn er im Übrigen die zuvor im Internetverkaufsinserat enthaltene unzutreffende Beschaffenheitsangabe "unfallfrei" lediglich kommentarlos entfernt hat.
3. Beim Verkauf eines Oldtimer-Pkw hat der Begriff der "fehlenden dokumentierten Historie" keinen gesicherten und allgemein anerkannten Bedeutungsgehalt; dieser hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab.
4. Eine normaler Weise zur erwartende "Lebens"-Gesamtlaufleistung ist bei Oldtimern gem. § 287 ZPO wegen des im Vergleich zu neueren Alltagsfahrzeugen noch nicht so weitreichenden technischen Fortschritts in der Regel mit 200000 km anzunehmen.
5. Ein in einem Kaufvertragsformular vorgedruckter Gewährleistungsausschluss, zu dem es weder Anhaltspunkte dafür gibt, dass er ernsthaft zur Disposition gestellt wurde, noch, dass die Kaufvertragsparteien die Beibehaltung des vorgedruckten Gewährleistungsausschlussentwurfs zuvor gründlich erörtert haben, ist nicht als ausgehandelt anzusehen, selbst wenn der schriftliche Kaufvertrag sonstige, andere handschriftliche Zusätze und Zusatzvereinbarungen enthält.
OLG Braunschweig, Urt. v. 19.5.2022 – 9 U 12/21
1 Sachverhalt
[1] I. Die Parteien streiten über die Rückabwicklung des Kaufvertrags vom 11.11.2017 über einen Oldtimer-Pkw Fiat 850 Coupé, Erstzulassung 1969, sowie über Verwendungs- und Aufwendungsersatzansprüche des Klägers.
[2] Der Kläger begehrt Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
[3] Wegen des Sach- und Streitstands I. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
[4] Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stünden gegen den Beklagten weder Ansprüche aus Rücktritt gem. §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 346 BGB (alle hier angegebenen §§ des BGB sind solche des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung) noch aus Bereicherungsrecht zu.
[5] Der Anspruch aus dem erklärten Rücktritt scheitere an einem wirksamen Haftungsausschluss. Der Gewährleistungsausschluss sei nicht gem. § 476 Abs. 1 BGB unwirksam, da der Beklagte als Verbraucher gehandelt habe. Dafür spreche der mit "Privatkauf" überschriebene Kaufvertrag. Tatsachen, die ein Umgehungsgeschäft rechtfertigen würden, habe der Kläger nicht vorgetragen. Auch sei der Gewährleistungsausschluss nicht wegen § 309 Nr. 7a oder b BGB unwirksam. Bei dem Haftungsausschluss handele es sich nicht um eine einseitig gestellte Klausel. Sie sei eine im Einzelnen ausgehandelte Vertragsbedingung. Eine Arglist des Beklagten i.S.v. § 444 BGB habe der Kläger nicht bewiesen. Ob eine Garantie im Sinne von § 444 BGB durch die Internetannonce auf mobile.de, in der das Fahrzeug als "unfallfrei" beworben wurde, vorliege, könne dahinstehen. Aus der Beweisaufnahme folge, dass diese öffentliche Äußerung sich auf den Entschluss des Käufers, die betreffende Sache zu kaufen, nicht ausgewirkt habe. Insbesondere habe der Zeuge M. bekundet, dass der Beklagte erklärt habe, es gebe keine dokumentierte Historie über das Fahrzeug. Der Beklagte habe sich diese Aussage im Zweifel zu Eigen gemacht. Dem Kläger sei beim Kaufvertragsschluss sich folglich bewusst gewesen, dass der Beklagte ohne die Historie keine Angaben über frühere Unfälle machen könne. Dies habe der Kläger zum Anlass genommen, einen niedrigeren Kaufpreis auszuhandeln.
[6] Auch bestehe kein Bereicherungsanspruch nach Anfechtung. Es fehle bereits an einer Anfechtungserklärung. Zudem habe der Kläger kein arglistiges Verschweigen des Beklagten nachgewiesen.
[7] Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit dem am 17.2.2021 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 17.2.2021 Berufung eingelegt, die er mit dem am 19.3.2021 eingegangen Schriftsatz vom selben Tage begründet hat. Zur Begründung führt der Kläger an:
[8] Das Landgericht habe fehlerhaft kein Umgehungsgeschäft angenommen. Aus den Vertragsumständen, insbesondere der Präsentation und der Abwicklung im Autohaus des Beklagten, ergebe sich, dass der Verkauf für den Beklagten ein Umgehungsgeschäft gewesen sei. Auch habe das Gericht in dem Haftungsausschluss fehlerhaft keine allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) gesehen. Die sonstigen handschriftlichen Einfügungen und Ergänzungen im Kaufvertragsformular besagten nicht, dass der vorgedruckte Haftungsausschluss zur Disposition der Par...