OWiG § 67
Leitsatz
Die nachträgliche Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid auf die Rechtsfolgen ist auch nach richterlichem Hinweis auf möglicherweise vorsätzliches Handeln wirksam.
OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 24.11.2022 – 2 Ss-OWi 1149/22
1 Sachverhalt
Gegen die Betroffene erging wegen (fahrlässigen) Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 65 km/h eine Geldbuße von 440 EUR mit Fahrverbot von zwei Monaten mit der Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG. Nach Einspruch hat das AG die Betroffene (unter anderem) darauf hingewiesen, dass auch eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung in Betracht kommt. Dabei hat es auch auf die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. vom 23.3.2016 – 2 Ss-OWi 52/16 hingewiesen, nach der eine Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen nicht mehr zulässig sei. Mit Schriftsatz ihres Verteidigers hat die Betroffene den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf die Rechtsfolgen beschränkt. Das AG hat die Betroffene dennoch wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 880 EUR verurteilt sowie ein Fahrverbot von drei Monaten mit der Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG gegen sie verhängt. Unter Hinweis auf die oben genannte Entscheidung des OLG Frankfurt am Main ist es davon ausgegangen, dass die Beschränkung des Einspruchs nicht wirksam sei. Das OLG Frankfurt hat auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des AG aufgehoben und die Betroffene wegen der in dem Bußgeldbescheid rechtskräftig festgestellten fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 65 km/h zu einer Geldbuße von 440 EUR mit zweimonatigem Fahrverbot mit Schonfrist verurteilt.
2 Aus den Gründen:
[…] Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Entgegen der Auffassung des AG war die Beschränkung des Einspruchs wirksam, so dass das Amtsgericht an der Änderung des Schuldspruchs gehindert war und nur noch über die Rechtsfolgen auf der Grundlage des rechtskräftig festgestellten fahrlässigen Geschwindigkeitsverstoßes zu entscheiden hatte. Dies hatte der Senat auf die erhobene Sachrüge hin von Amts wegen zu überprüfen.
Die in der Beschränkung des Einspruchs liegende Teilrücknahme ist wirksam. Aus dem Schriftsatz vom 19.7.2022 ergibt sich, dass der Verteidiger hierzu von der Betroffenen hinreichend im Sinne des § 302 Abs. 2 StPO (i.V.m. § 46 OWiG) ermächtigt war. Darin wird nämlich "namens und in Vollmacht der Betroffenen" erklärt, "dass die Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Geschwindigkeitsmessung nicht mehr diskussionswürdig" und die Messung "nachweislich nicht fehlerhaft" sei; aus diesem Grund sei der ursprünglich unbeschränkt eingelegte Einspruch nunmehr "auf die Rechtsfolge des Fahrverbotes" zu beschränken.
Aufgrund der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot war allerdings die weitere Beschränkung innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs nur auf die Rechtsfolge des Fahrverbots nicht wirksam, so dass über die Rechtsfolgen der rechtskräftig festgestellten fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung insgesamt zu entscheiden war.
Die von dem AG zitierte und zutreffend wiedergegebene Entscheidung eines Einzelrichters des damals einzigen Bußgeldsenats des OLG Frankfurt a.M. vom 23.3.2016 – 2 Ss-OWi 52/16 steht der Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen nicht entgegen. In ihrem tragenden Teil ist diese Entscheidung nämlich bereits nicht einschlägig. Nach den dortigen Feststellungen war das Verteidigungsverhalten des Betroffenen widersprüchlich, indem auch nach der vermeintlichen Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen noch erklärt wurde, die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung solle noch überprüft werden. Deshalb wurde die Beschränkung dort als nicht wirksam erachtet, weil eine Prozesserklärung unmissverständlich sein müsse und bedingungsfeindlich sei. Ein solches widersprüchliches Verhalten ist nach der oben wiedergegebenen Erklärung vorliegend gerade nicht gegeben. Die auch hier im Vorfeld vorgebrachten Einwendungen gegen die Geschwindigkeitsmessung wurden ausdrücklich nicht aufrechterhalten und diese ohne jeden Vorbehalt als richtig akzeptiert.
Das AG führt dazu aus, angesichts des vorherigen wiederholten und dezidierten Bestreitens der Richtigkeit der Messung sei die Aussage in dem Schriftsatz vom 19.7.2022, dass man nun (aufgrund eines eingeholten Gutachtens) von der Richtigkeit der Messung überzeugt sei, "derartig widersprüchlich, dass eine tragfähige geständige Einlassung nicht anzunehmen" sei. Das verkennt, dass eine wirksame Beschränkung des Einspruchs kein Geständnis voraussetzt. Die Betroffene eines Bußgeldverfahrens hat es vielmehr wie auch sonst jeder potentielle Rechtsmittelführer selbst in der Hand, ob und in welchem Umfang sie den gegen sie ergangenen Bußgeldbescheid rechtskräftig werden lässt, auch wenn sie ihn inhaltlich für falsch hält. Das gilt offensichtlich für die anfängliche Entscheidung, ob überhaupt und w...