VVG § 100
Leitsatz
1. Auch unter der Geltung des neuen Haftpflichtversicherungsrechts nach dem VVG 2008 ist der Haftpflichtversicherer an die Regulierungsentscheidung des VN durch Befriedigung der Haftpflichtforderung gebunden, wenn er seine Deckungsentscheidung – Gewährung von Abwehrdeckung oder Freistellung gemäß § 100 VVG – treuwidrig verweigert oder verzögert. Die Bindungswirkung folgt aus der Verletzung der Hauptpflicht zur Prüfung der Haftpflichtfrage, die der Ermessensentscheidung über die Art der gewährten Deckung (Abwehr oder Freistellung gemäß § 100 VVG) vorausgeht und beinhaltet, sich rechtzeitig und unmissverständlich gegenüber dem VN zu erklären, ob und in welcher Weise er den Versicherungsschutz gemäß § 100 VVG gewährt.
2. Eine an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung im Sinne des § 2 Abs. 2b) AV-Haftpflicht liegt nicht vor, wenn der VN Pflichten aus einem Treuhandvertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt und deshalb aus dem zugrunde liegenden Auftragsverhältnis nichts erlangt hat, was er an den Treugeber gemäß § 667 BGB herausgeben könnte.
KG, Urt. v. 26.2.2021 – 6 U 24/19
1 Sachverhalt
Die Kl ist eine Sparkasse und gehört dem beklagten Verband an, der nach den geltenden Vertragsbedingungen (AB) – entsprechend den Bedingungen einer Haftpflichtversicherung – seinen Mitgliedern Deckungsschutz in Haftpflichtfällen gewährt. Sie begehrt von dem Bkl Erstattung eines Betrages, den sie an die KfW gezahlt hat.
Hintergrund war, dass sie im Jahr 2002 einem Kunden ein Existenzgründungsdarlehen gewährte, für das die (Rechtsvorgängerin der) KfW eine Ausfallbürgschaft übernahm. Zu den Bürgschaftsbedingungen gehörte u.a., dass die Kl für den Fall der Inanspruchnahme der KfW aus der Bürgschaft die auf die KfW dann übergangene Forderung mit den diese sichernden Rechten treuhänderisch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu verwalten und zu verwerten hatte.
Nach Kündigung des Darlehensvertrages im Jahr 2005 und Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden versäumte es die Kl., dem Insolvenzverwalter fristgemäß nachzuweisen, inwieweit sie und die KfW bei der abgesonderten Befriedigung Sicherheiten ausgefallen war. Dadurch erlitt die KfW einen Ausfall im Rahmen der Quotenverteilung der Masse.
Auf Schadenmeldungen der Kl hin stellte sich die Bkl im Rahmen längerer Korrespondenz u.a. auf den Standpunkt, sie könne keinen Haftpflichtfall erkennen, es handele sich um einen Eigenschaden der Kl. Daraufhin glich die Kl den Anspruch der KfW aus.
2 Aus den Gründen: "…
1. Der KfW steht gegen die Kl. ein Anspruch in der geltend gemachten Höhe von 55.239,21 EUR aus §§ 280 Abs. 1, 662, 667 BGB i.V.m. dem zwischen der Kreissparkasse und der DtA geschlossenen Vertrag zu, in den die Kl. und die KfW als Rechtsnachfolgerinnen eingetreten sind.
a) Die Kl und die (KfW) haben einen Bürgschaftsvertrag abgeschlossen (wird ausgeführt).
Die Treuhandverpflichtung nach Ziffer 3.5 der AB ist auch wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Eine Unwirksamkeit der Klausel wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG a.F., die der Bekl. geltend macht, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das AGBG im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits außer Kraft war. Die Klausel ist deshalb an § 307 BGB zu messen, der ihrer Wirksamkeit aber nicht entgegen steht. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach dessen Abs. 1 S. 1 unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Zur Beurteilung, ob eine unangemessene Benachteiligung vorliegt, bedarf es einer umfassenden Würdigung, in die die Art des konkreten Vertrages, die typischen Interessen beider Parteien, die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise und die sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnung ergebenden Bewertungskriterien einfließen (…). Es handelt sich hier um einen Bürgschaftsvertrag zwischen zwei Anstalten des öffentlichen Rechts, der letztlich der Unterstützung eines Existenzgründungsvorhabens mit öffentlichen Mitteln diente. Dementsprechend wurde der Kreditnehmer in dem Bürgschaftsantrag zu Ziffer 2.3 über die Subventionserheblichkeit der Angaben im Kreditantrag über die Antragsberechtigung und den Verwendungszweck des zu verbürgenden Kredits im Sinne von § 264 StGB und § 2 des Subventionsgesetzes belehrt. Vor diesem Hintergrund erscheint die Übernahme schuldrechtlicher Pflichten durch die Kl als Gläubigerin, die nach Leistung auf die Bürgschaft entstehen, nicht unangemessen. Im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit steht es den Parteien eines Bürgschaftsvertrages im Allgemeinen frei, auch Pflichten des Gläubigers vertraglich zu vereinbaren (…). Hier kommt hinzu, dass die Kl als Gläubigerin ein starkes eigenes Interesse an der Übernahme der Bürgschaft durch die (KfW) hatte, da diese Absicherung ihr die Gewährung der Darlehen an ihren Kunden erlaubte. Dieser Sicherungszweck der Bürgschaft wird durch die Klausel überhaupt nicht beeinträchtigt. Für eine öffentlichrechtliche Sparkasse stellt die Verwaltung und Verwertung von Forderungen...