VVG § 159
Leitsatz
Teilt die VN auf eine Frage des VR in einem routinemäßig übersandten Formular zur "Auszahlung von Versicherungsleistungen" ihr Bankkonto als dasjenige mit, auf das die Versicherungsleistung überwiesen werden soll, so kann darin ein konkludenter Widerruf des Bezugsrechts liegen.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.9.2022 – 4 U 81/21
1 Sachverhalt
Der Kl. macht einen Anspruch auf Auszahlung der Erlebensfallleistung einer bei der Bekl. abgeschlossenen Lebensversicherung geltend. VN war die Tante des Kl.. Diese beantragte am 26.4.2001 den Abschluss der Lebensversicherung. Versicherte Person war der Kl., von dessen Konto auch die Versicherungsbeiträge abgebucht werden sollten (und wurden). Ferner war der Kl. auch als widerruflich Bezugsberechtigter für den Erlebensfall angegeben, während die VN für den Todesfall bezugsberechtigt sein sollte. Außerdem stand im Antrag, dass der Kl. im Todesfall der VN während der Vertragslaufzeit an deren Stelle treten solle. Die Versicherung hatte eine Laufzeit von 15 Jahren bis zum 31.5.2016. Unter dem 23.3.2016 schrieb die Bekl. der VN folgendes: "Sehr geehrte Frau Sp, bei einer Überprüfung haben wir festgestellt, dass uns zu diesem Vertrag keine aktuelle Bankverbindung vorliegt. Um die Auszahlung der Versicherungsleistung pünktlich an Sie anweisen zu können, teilen Sie uns bitte kurzfristig Ihre Bankverbindung mit." Die VN übersandte darauf unter dem 2.4.2016 eine Rückantwort, die unter der Überschrift eine "Auszahlung von Versicherungsleistungen" ihre Kontoverbindung enthielt.
Zum Ablauf der Lebensversicherung am 1.6.2016 zahlte die Bekl. auf das von der VN angegebene Konto einen Betrag in Höhe von 75.894,32 EUR; diese leitete das Geld nicht an den Kl. weiter. Am 23.10.2018 verstarb die VN.
2 Aus den Gründen: "…
Zutreffend hat das LG festgestellt, dass der Kl. aus der streitgegenständlichen Lebensversicherung nicht mehr bezugsberechtigt war …
1b aa) Soweit der Kl. darauf abstellt, dass im Antragsformular vom 26.4.2001 nicht vorgesehen war, ein unwiderrufliches Bezugsrecht zu bestimmen, ändert dies nichts daran, dass es eine solche Möglichkeit gemäß § 10 AVB gab und sie gerade nicht genutzt wurde – aus welchen Gründen auch immer. Der Kl. hatte damit von vorneherein versicherungsvertraglich lediglich eine sehr ungesicherte Rechtsposition und trug das Risiko, dass sein lediglich widerruflich bestehendes Bezugsrecht jederzeit, ohne seine Mitwirkung und auch ohne seine Kenntnis widerrufen wird.
Daran ändert auch nichts, dass der Versicherungsvertrag im Todesfall der VN auf den Kl. übergehen sollte. Zwar mag die Rechtsposition des Kl. dadurch gestärkt gewesen sein – dies sollte aber offensichtlich erst mit dem Todesfall der VN gelten, während die VN zu Lebzeiten versicherungsvertraglich uneingeschränkt blieb. Gleiches gilt hinsichtlich des Umstands, dass die Versicherungsbeiträge vom Kl. gezahlt wurden. Auch dies ändert nichts daran, dass der Kl. in versicherungsvertraglicher Hinsicht den Handlungen der VN ausgeliefert war, da er sich lediglich ein widerrufliches Bezugsrecht einräumen ließ. Etwaige Folgen im zugrundeliegenden Verhältnis zwischen VN und Kl. sind nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.
Soweit der Kl. der Auffassung ist, dass die besondere Rechtsnachfolgeregelung nur dann sinnvoll sei, wenn dadurch zugleich die Verfügungsbefugnisse der VN ausgeschlossen seien, ist dies nicht zutreffend: Abgesehen davon, dass – wie ausgeführt – solches gerade nicht vereinbart wurde, obwohl es nach den Bedingungen möglich gewesen wäre, führt die Rechtsnachfolgeregelung nur dazu, dass die Fortsetzung des Versicherungsvertrages nach dem Tod der VN allein vom Willen des Kl. und nicht der Erbengemeinschaft abhängig sein sollte und nach dem Tod der VN allein der Kl. über die Bezugsberechtigung hätte entscheiden können. Dies ist durchaus ein sinnvoller Regelungsgehalt für die Zeit nach dem Tod der VN.
bb) An sich zutreffend ist der Hinweis des Kl. darauf, dass im Antragsformular nicht vorgesehen war, eine Kontoverbindung für den bzw. die Bezugsberechtigten anzugeben. Dennoch hat das LG zutreffend ausgeführt, dass die Zahlungsanweisung der VN vom 2.4.2016 der ursprünglichen Anweisung im Versicherungsantrag entgegen steht: Während ursprünglich eine Zahlung an den Kl. im Erlebensfall vorgesehen war, hat die VN nunmehr ausdrücklich erklärt, dass die Versicherungsleistung an sie gezahlt werden solle. Der Wortlaut der Erklärung vom 2.4.2016 ist eindeutig und lässt keinen Raum für Zweifel.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Schreiben der Bekl. vom 23.3.2016. Zwar bat die Bekl. mit diesem Schreiben nicht ausdrücklich darum, den oder die Bezugsberechtigten für den Versicherungsfall zu benennen, sondern um Mitteilung einer Bankverbindung. Indes greift die Sichtweise des Kl. zu kurz, dass die Bekl. lediglich um Mitteilung der aktuellen Bankverbindung der VN gebeten habe. Dies war gerade nicht der Fall. Denn es ging der Bekl. um Mitteilung der Bankverbindung ausschließlich für die Auszahlung der Versicherungsleistung, wie sie auch ausdrücklich in...