[…]
[2] 1. Die Verurteilung im Fall II. 3 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil die Feststellungen nicht ergeben, dass sich der Angeklagte eines Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB schuldig gemacht hat.
[3] a) Nach den Feststellungen befuhr der Angeklagte mit einem nicht haftpflichtversicherten Kraftfahrzeug ohne die erforderliche Fahrerlaubnis öffentliche Straßen in Hamm. Als ihn zwei Polizeibeamte, die sich auf einer Streifenfahrt mit einem als Polizeifahrzeug gekennzeichneten Dienstfahrzeug befanden, einer Kontrolle unterziehen wollten, weil eine Mitfahrerin des Angeklagten gegen die Gurtpflicht verstoßen hatte, und deshalb ein Haltesignal gaben, versuchte der Angeklagte mit hoher Geschwindigkeit davon zu fahren und sich der Kontrolle zu entziehen. Bei seiner Fluchtfahrt geriet er mit seinem Fahrzeug auf eine Straße, die sich zu einem schmalen Feldweg verengte. Auch hier fuhr er mit überhöhter Geschwindigkeit, sodass sich mehrere Fußgänger auf dem Seitenstreifen in Sicherheit bringen mussten, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm. Am Ende des Weges musste er anhalten, weil Betonsteine die Weiterfahrt verhinderten. Die Polizeibeamten, die ihn verfolgt hatten, gingen davon aus, dass ein Wenden des Fahrzeugs des Angeklagten in dieser Position nicht möglich war. Der sich auf dem Beifahrersitz befindliche Beamte öffnete die Beifahrertür, um aus dem Dienstfahrzeug auszusteigen und auf den Angeklagten zuzugehen. In diesem Moment setzte der Angeklagte, dem bewusst war, dass die Beamten ihn zum Anhalten aufgefordert hatten, seinen Pkw zurück, um der Kontrolle zu entgehen. Dabei "touchierte" er mit seinem Fahrzeug die geöffnete Beifahrertür. Ob er den herausgesetzten Fuß des Beamten zu diesem Zeitpunkt bereits bemerkt hatte, konnte das Landgericht nicht feststellen. Dem Polizeibeamten gelang es gerade noch rechtzeitig, seinen Fuß wieder zurück ins Fahrzeug zu bringen, bevor die Beifahrertür durch den Anstoß zuschlug. Bei der weiteren Rückwärtsfahrt fuhr der Angeklagte seinen Pkw fest und wurde von den Polizeibeamten überwältigt.
[4] Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Nötigung, vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und vorsätzlichem Gebrauch eines nicht haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges gewertet.
[5] b) Diese Feststellungen ergeben nicht, dass der Angeklagte vorsätzlich Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB geleistet hat.
[6] aa) Eine Widerstandshandlung im Sinne dieses Tatbestands kann durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt erfolgen. Der Begriff der Gewalt ist dabei als eine durch tätiges Handeln bewirkte Kraftäußerung zu verstehen, die gegen den Amtsträger gerichtet und geeignet ist, die Durchführung der Vollstreckungshandlung zu verhindern oder zu erschweren (vgl. BGH, Urt. v. 16.11.1962 – 4 StR 337/62, BGHSt 18, 133, 134; BGH, Beschl. v. 19.12.2012 – 4 StR 497/12, NStZ 2013, 336, 337; LK-StGB/Rosenau StGB § 113 Rn 23). Die Tathandlung braucht allerdings nicht unmittelbar gegen dessen Person gerichtet zu sein; es genügt vielmehr auch eine nur mittelbar gegen die Person des Beamten, unmittelbar aber gegen Sachen gerichtete Einwirkung, wenn sie nur von dem Beamten körperlich empfunden wird (vgl. BGH, Beschl. v. 15.1.2015 – 2 StR 204/14, NStZ 2015, 388, 389; BGH, Urt. v. 16.11.1962, a.a.O.; MüKo-StGB/Bosch StGB § 113 Rn 21). Ein Widerstandleisten durch Gewalt kann daher in dem Zufahren mit einem Kraftfahrzeug auf einen Polizeibeamten liegen, um ihn zum Wegfahren oder zur Freigabe der Fahrbahn zu nötigen (vgl. BGH, Beschl. v. 4.3.1997 – 4 StR 48/97, NStZ-RR 1997, 261, 262). Die bloße Flucht vor der Polizei erfüllt diese Voraussetzungen hingegen nicht, auch wenn dabei andere Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 15.1.2015, a.a.O.; BGH, Beschl. v. 19.12.2012, a.a.O.; Fischer, StGB, § 113 Rn 23). In subjektiver Hinsicht ist dabei Vorsatz erforderlich, wobei bedingter Vorsatz genügt (vgl. bereits RG, Urt. v. 6.5.1913 – II 1123/12, RGSt 47, 270, 279; Bosch, a.a.O., Rn 54).
[7] bb) Gemessen daran tragen die Feststellungen nur die Annahme des äußeren Tatbestands einer Widerstandshandlung im Sinne von § 113 Abs. 1 StGB. Denn durch das Zurücksetzen in Richtung des Dienstwagens und das hierdurch bewirkte Zuschlagen der Tür wurde der Polizeibeamte dazu genötigt, sein Vorhaben, auszusteigen und auf den Angeklagten zuzugehen, um ihn zu kontrollieren, aufzugeben und seinen Fuß wieder in den Innenraum des Fahrzeugs zu ziehen. Damit hat der Angeklagte eine mittelbare Zwangswirkung auf den Beamten ausgeübt, die die Durchführung der Vollstreckungshandlung erschwert hat. Dass der Angeklagte insoweit auch vorsätzlich handelte, ergeben die Urteilsgründe dagegen nicht. Denn das Landgericht vermochte nicht festzustellen, dass der Angeklagte den herausgesetzten Fuß des Beamten wahrgenommen hatte, als er seinen Pkw zurücksetzte, um sich der Kontrolle zu entz...