StVG § 8 Nr. 3
Leitsatz
Der Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 3 StVG gilt nicht für Kosten, die anlässlich eines Verkehrsunfalls dadurch entstehen, dass die beförderte Sache beseitigt werden muss, weil sie eine andere beeinträchtigt.
BGH, Urt. v. 6.11.2007 – VI ZR 220/06
Sachverhalt
Nachdem ein Reifen geplatzt war, geriet der Lkw des Beklagten in Brand und brach auseinander. Die aus 251 Orangen bestehende Ladung wurde durch den Brand weitgehend unbrauchbar und blockierte mit dem Lkw die Fahrbahn. Die klagende Bundesautobahnverwaltung ließ die Fahrbahn räumen und die Orangen durch Verbrennen entsorgen. Das LG hat der Klage auf Erstattung der Entsorgungskosten stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Die zugelassene Revision blieb erfolglos.
Aus den Gründen
[6] “ … . 1. Auch wenn das Berufungsgericht die Revision zur Klärung der Frage zugelassen hat, ob die Entsorgungskosten einen adäquat-kausalen Schaden im Rahmen der Eigentumsverletzung durch den Versicherungsnehmer der Beklagten darstellten, ist eine Beschränkung der Zulassung der Revision nicht gegeben. Wird die Revision zugelassen, so erfasst die Zulassung den gesamten Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat und für den die zur Zulassung führende Rechtsfrage von Bedeutung ist (vgl. Senatsurt. v. 25.3.2003, r+s 2004, 254 = VersR 2003, 1441, 1442 und v. 28.3.2006, r+s 2006, 298 = VersR 2006, 944). Die Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen Schadensereignis und Entsorgungskosten ist für den Klageanspruch insgesamt entscheidend.
[7] 2. Die Beklagte haftet für die Kosten der Verbrennung der Orangen nach § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG. Die zur Behebung der Sachbeschädigung, d.h. zur Wiederherstellung der Benutzbarkeit der BAB, erforderlichen Kosten umfassen neben den nicht mehr im Streit befindlichen Kosten für Reinigung der Straße, Aufnahme und Abtransport der die Fahrbahn blockierenden Ladung, auch die Kosten der Vernichtung der unstreitig zerstörten Ladung (vgl. zu Entsorgungskosten Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 27 Rn 15).
[8] a) Der Brand des Lkw während der Fahrt auf der Autobahn war Folge eines Betriebsvorgangs (vgl. OLG Saarbrücken, r+s 2000, 322 = VRS 99, 104, 105 mit NA-Beschluss des erkennenden Senats v. 28.3.2000 – VI ZR 217/99; vgl. auch OVG Koblenz, NVwZ-RR 2001, 382), dessen Auswirkungen eine Sache der Klägerin, nämlich die BAB (§ 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 FStrG), beschädigten. Der Schadensbegriff des § 7 StVG entspricht dem des BGB (BGHSt 29, 132, 135; BGH, Urt. v. 20.12.2006, r+s 2007, 94 = VersR 2007, 200; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 7 Rn 26; Schneider, MDR 1989, 193, 194 ff.). Danach ist eine Sache beschädigt, wenn entweder ihre Substanz nicht unerheblich verletzt oder ihre Brauchbarkeit zu ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung nicht unerheblich beeinträchtigt worden ist, ohne dass zugleich in ihre Substanz eingegriffen werden müsste (Senatsurt. v. 7.12.1993, VersR 1994, 319; BGH, Urt. v. 20.12.2006, a.a.O.; Urt. v. 21.12.1970, VersR 1971, 418; OLG Köln VersR 1983, 287). Nach den von den Parteien nicht in Zweifel gezogenen tatsächlichen Umständen war die BAB an der Unfallstelle durch die Ladung blockiert und musste gereinigt werden, bevor sie wieder dem Verkehr übergeben werden konnte. Dementsprechend hat die Beklagte inzwischen die zur Wiederherstellung der Benutzbarkeit der BAB erforderlichen Kosten für die Reinigung der Straße und den Abtransport der die Fahrbahn blockierenden Ladung beglichen.
[9] b) Schadensrechtlich sind die Entsorgungskosten jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem die zerstörte Ladung die BAB verschmutzte und blockierte, nicht als Folgeschäden der Eigentumsverletzung an der transportierten Sache (Zerstörung der Orangen) einzustufen, sondern als – allerdings ursächlich in der Zerstörung der transportierten Sache begründete – Folgekosten aus der bei der Klägerin eingetretenen Eigentumsverletzung an der BAB. An der Adäquanz, d.h. der Eignung des zum Schaden führenden Ereignisses im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, un-wahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen (vgl. Senatsurt. v. 16.4.2002, VersR 2002, 773), besteht nach Lage des Falles kein Zweifel (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2007, r+s 2007, 94 = VersR 2007, 200). Die durch den Betrieb des Fahrzeugs zerstörte Ladung blockierte die Fahrbahn; zur Wiederherstellung der Brauchbarkeit der Fahrbahn war die Ladung aufzunehmen, abzutransportieren und – da zerstört und damit wertlos – zu entsorgen. Erst dann war der Schaden beseitigt und der vor dem schädigenden Ereignis bestehende Zustand wieder hergestellt. Eine weitere Verwahrung hätte, weil letztlich nur die Vernichtung der Ware infrage kam, nur überflüssige Kosten verursacht. Bei den getroffenen Maßnahmen ging es mithin darum, den zur Beseitigung der Unfallfolgen erforderlichen Aufwand und damit den Schaden zu begrenzen, für den die Bekla...