AVB-AU Ziffer 6
Leitsatz
Eine Klausel, nach der der Versicherer nicht leistet "bei Arbeitsunfähigkeit infolge einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung" ist wirksam.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.11.2007 – 19 U 57/07
Aus den Gründen
“ … 2. Ansprüche der Klägerin auf Leistungen aus der mit der Beklagten geschlossenen Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung bestehen nicht. Da die Klägerin ausdrücklich geltend macht, auf Grund einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig zu sein, greift der unter Ziff. 6 f. der maßgeblichen Versicherungsbedingungen vereinbarte Leistungsausschluss, in dem es heißt: “ Der Versicherer leistet nicht, wenn der Versicherungsfall verursacht ist [ … ] durch eine Arbeitsunfähigkeit infolge einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung’.
Die streitige Klausel ist wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogen (§ 305 c Abs. 1 BGB als negative Einbeziehungsvoraussetzung; vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 305c Rn 1 f.) und benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht unangemessen (§ 307 BGB).
a. Überraschend ist eine Klausel grundsätzlich, wenn sie objektiv ungewöhnlich und im Rahmen der Erkenntnismöglichkeiten des durchschnittlichen Kunden nicht zu erwarten ist (Palandt-Heinrichs, a.a.O. Rn 3, 4). Auch die Umstände im konkreten Fall der Klägerin als Versicherungsmaklerin rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Die Klausel ist schon deshalb nicht objektiv ungewöhnlich, da sie in anderen Versicherungszweigen (§ 2 AUB 88 und AUB 94) seit geraumer Zeit Anwendung findet und für die Unfallversicherung höchstrichterlich (BGH NJW 2004, 2589) für wirksam erachtet worden ist, sodass sie sowohl von einem durchschnittlichen Kunden als auch insbesondere von einer im Bezug auf Versicherungen versierten Versicherungsmaklerin zu erwarten ist. Das Erscheinungsbild des Vertrages und die Tatsache, dass der Streitgegenstand liehe Ausschluss in die Klauseln der Ausschlüsse wegen Risikoerhöhung eingereiht ist, rechtfertigt angesichts der unmissverständlichen Formulierung keine andere Beurteilung.
b. Die Inhaltskontrolle der Klausel, die, weil leistungsbeschränkend, nicht nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ausgeschlossen ist (BGH VersR 2002, 1546; BGH Z 141, 137; 142, 103), führt zu keinem anderen Ergebnis. Entgegen der Auffassung der Klägerin bedingt die Leistungsbeschränkung keine Gefährdung des Vertragszwecks (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Grundsätzlich genießt ein Versicherer nämlich Vertragsfreiheit bei der Ausgestaltung seiner Leistungen, solange über den Umfang des Versicherungsschutzes keine falschen Vorstellungen erweckt werden (Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 307 Rn 32; BGH NJW 2004, 2589). Eine Gefährdung des Vertragszwecks ist deshalb erst anzunehmen, wenn die Leistungseinschränkung den Vertrag so weit aushöhlt, dass er in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos wird. Dies ist nicht der Fall.
In diesem Zusammenhang ist schon der Rückschluss der Klägerin von der Anzahl der Personen mit psychisch vermittelter Erwerbsunfähigkeit auf den Bereich der Arbeitsunfähigkeitsversicherung unzulässig, da sich schon die Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit von denjenigen der Arbeitsunfähigkeit wesentlich unterscheiden. Darüber hinaus deckt sich der Kreis derjenigen, die Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente haben, mit dem Kundenkreis der Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung (im Rahmen einer Restschuldversicherung) nicht.
Doch selbst wenn man unterstellte, dass 40 % der Versicherungsnehmer einer Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung auf Grund psychischer Erkrankungen zeitweise arbeitsunfähig werden, hält die Klausel der Inhaltskontrolle stand. Es erscheint bereits fraglich, ob bei einer Quote von 40 % eine Aushöhlung des Vertragszwecks vorliegt. Bei dieser Betrachtung ist nämlich nicht lediglich auf die Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung, sondern auf den Gesamtvertrag abzustellen (BGHZ 106, 263; BGHZ 136, 27), der nicht nur für den Fall der Arbeitsunfähigkeit, sondern auch und gerade für den Todesfall Versicherungsschutz gewährt.
Darüber hinaus schließt die Erfüllung des Sondertatbestandes der Inhaltskontrolle in § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB als Zweifelsregel eine Gesamtabwägung der Interessen von Versicherer und Versicherungsnehmer zur Beurteilung der Unangemessenheit nicht aus (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, AGB-Recht, 10. Aufl. § 307 Rn 196; a.A.: Stoffels, ABG-Recht 2003, § 307 Rn 500), sondern erlaubt eine Gesamtwürdigung des Versicherungsvertrages. Diese an objektiv-generalisierenden Maßstäben auszurichtende Betrachtung (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, a.a.O. Rn 194) führt für den vorliegenden Fall einer Restschuldlebensversicherung mit Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung dazu, von dem in § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB formulierten Regelfall abzuweichen und eine unangemessene Benachteiligung zu verneinen.
Der Ausschluss psychischer Erkrankungen aus dem Versicherungsschutz dient nämlich nicht lediglich den Interessen des Versicherers, sondern auch denjenigen der Versicherungsnehmer. Insoweit lassen sich die für den Leistungsausschluss in der U...