BGB §§ 242, 779
Leitsatz
Dem Geschädigten ist ein Festhalten an einem Abfindungsvergleich nach Treu und Glauben nur dann nicht mehr zumutbar, wenn entweder die Geschäftsgrundlage für den Vergleich weggefallen ist bzw. sich geändert hat, sodass eine Anpassung an die veränderten Umstände erforderlich erscheint, oder wenn nachträglich erhebliche Äquivalenzstörungen in den Leistungen der Parteien eingetreten sind, die für den Geschädigten nach den gesamten Umständen des Falles eine ungewöhnliche Härte bedeuten würden.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.1.2007 – 1 U 166/06
Aus den Gründen
“Der Klage liegt ein Verkehrsunfall zu Grunde, der sich am 25.5.1982 in M an der Einmündung der A-straße in die S-straße zwischen einem von der wartepflichtigen Klägerin geführten Pkw und einem durch den bevorrechtigten Beklagten zu 1) gesteuerten Pkw ereignet hat. Als die Klägerin nach links in die S-straße abbiegen wollte, fuhr der sich auf dieser Straße von links nähernde Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug, welches bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, gegen die linke Seite des von der Klägerin geführten Pkw. Bei dem Unfallgeschehen, dessen Hergang im Einzelnen streitig ist, erlitt die Klägerin neben einer Gehirnerschütterung und einer Platzwunde am Hinterkopf eine Hüftpfannendachfraktur. Diese wurde operativ durch das Einsetzen einer 7-Loch-Rekonstruktionsplatte aus Metall versorgt.
In der Folgezeit litt die Klägerin im Bereich der Bruchstelle unter fortdauernden Beschwerden. Unter dem Datum des 18.12.1984 kam es zu der Erstellung eines fachchirurgischen Gutachtens durch den seitens des Sozialgerichts D zum Sachverständigen bestellten Prof. Dr. H.
Die anwaltlich vertretene Klägerin unterzeichnete unter dem Datum des 24.3.1986 eine von der Beklagten zu 2) vorformulierte umfassende Abfindungserklärung. Sie erklärte sich gegen Zahlung eines Betrages von 22.500 DM für alle Ansprüche aus dem Unfallereignis gegen beide Beklagte für abgefunden. Auf der Grundlage des nach dieser Erklärung zu Stande gekommenen Vergleiches zahlte die Beklagte an die Klägerin 22.500 DM.
Eine im Jahre 1997 wegen fortdauernder Beschwerden durchgeführte Operation wurde wegen vier Schrauben der Rekonstruktionsplatte erforderlich.
Die Klägerin hat behauptet, seit dem Jahre 2004 träten bei Belastung des linken Beines erneut heftige Beschwerden auf. Sie müsse seit Anfang dieses Jahres zahlreiche starke Schmerzmittel zu sich nehmen, um die heftigen Beschwerden überhaupt aushalten zu können. Der behandelnde Arzt habe ihr geraten zu versuchen, mit den Schmerzmitteln so lange wie möglich auszukommen, um eine erneute Operation zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern. Denn ihr sei in der Unfallklinik in D eröffnet worden, dass auch durch das Einsetzen eines neuen Hüftgelenkes eine Besserung nicht zu erwarten sei, weil sie dann mit Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, nicht mehr laufen zu können, sondern mit ihren nunmehr 62 Jahren ihr Leben im Rollstuhl verbringen zu müssen. Anlässlich der Erstoperation sei ihr hingegen erklärt worden, dass sie mit weiteren Beschwerden nicht mehr rechnen müsse und die Rekonstruktionsplatte ein Leben lang hielte. Hätte sie bei Unterzeichnung der Abfindungserklärung Kenntnis davon gehabt, dass sie bei einer notwendigen Hüftgelenkserneuerung nicht mehr würde laufen können und im Rollstuhl würde sitzen müssen oder alternativ dazu mit starken Schmerzen würde leben müssen, hätte sie die Abfindungserklärung nicht unterzeichnet. Seit Januar 2006 nehme sie wegen sich verstärkender Schmerzen auch ein Medikament, welches Morphium enthalte.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, wegen der seit dem Jahre 2004 aufgetretenen heftigen Beschwerden stehe der Abfindungsvergleich weiteren Ansprüchen nicht entgegen, da ein so krasses Missverhältnis zwischen Abfindungssumme und Schaden bestehe, dass ein Festhalten an der Abfindungsvereinbarung gegen Treu und Glauben verstoße.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.
II. Die Klägerin dringt schon im Ansatz nicht mit ihrem Einwand durch, wegen des Auftretens der streitigen Spätfolgen der Unfallverletzung sei die Geschäftsgrundlage für den Vergleich weggefallen, sodass dessen Bindungswirkung der erfolgreichen Durchsetzung ihres Feststellungs- und Schmerzensgeldbegehrens nicht entgegen stehe.
1) Vereinbaren Parteien einen Abfindungsvergleich mit einer umfassenden Abgeltungsklausel, ist es eine Frage der Auslegung dieser Klausel, ob die Parteien auch unvorhergesehene und erst nach Vergleichsschluss eintretende Spätschäden einbeziehen wollten (Palandt/Sprau, Kommentar zum BGB, 65. Aufl., § 779, Rn 12 mit Hinweis auf BGH LM Nr. 11, 16; PWW/Brödemann, § 779, Rn 17 mit Hinweis auf BGH NJW 1957, 1395; BGH NJW 1984, 115; AnwK-BGB/Giesler, § 779, Rn 44). Häufig lässt der Wortlaut eine einschränkende Auslegung nicht zu, sodass grundsätzlich jede Nachforderung für unvorhergesehene Schäden ausgeschlossen ist (Palandt/Sprau, a.a.O., Rn 12 mit Hinweis auf OLG Koblenz NJW 2004, 782).
2) Die Abgeltungsklau...