BGB § 249
Leitsatz
Ist aus der Sicht des Geschädigten ein Kfz-Unfallschaden mit einem Reparaturaufwand von ca. 700 EUR zu beheben, ist die Beauftragung eines Sachverständigen nicht erforderlich, sodass die Kosten einer gleichwohl erfolgten Beauftragung nicht erstattungsfähig sind.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Nürnberg, Urt. v. 9.5.2008 – 22 C 2591/08
Sachverhalt
Ein Kfz des klagenden Autovermieters erlitt bei einem Verkehrsunfall bei einem Streifunfall eine Beschädigung des hinteren Stoßfängers. Die Klägerin holte ein Gutachten zu den erforderlichen Reparaturkosten ein, das einen erforderlichen Reparaturaufwand von 771,83 EUR netto ergab. Die Klage auf Erstattung der Gutachtenkosten in Höhe von 284,10 EUR netto wurde von dem AG abgewiesen.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der Sachverständigenkosten in Höhe von 284,10 EUR insbesondere nicht aus § 3 Nr. 1 PflichtVG a.F. i.V.m. § 17 Abs. 1 StVG i.V.m. § 249 BGB.
Die Kosten zur Ermittlung des Schadens sind grundsätzlich Teil des zu ersetzenden Schadens. Der Schädiger hat daher die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Grundsätzlich darf auch bei Kfz-Unfällen der Geschädigte einen Sachverständigen hinzuziehen. Anerkannt ist in der Rechtsprechung, dass ein Geschädigter gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt, wenn er einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Schadens beauftragt, obwohl ein sog. Bagatellschaden vorliegt. Ein Bagatellschaden liegt vor, wenn die Reparaturkosten 700 EUR nicht übersteigen, vgl. Palandt-Heinrichs, 2008, § 249 BGB Rn 40.
Demzufolge sind jedoch im Umkehrschluss Sachverständigenkosten nicht immer – automatisch – zu erstatten, wenn die Reparaturkosten mehr als 700 EUR betragen. Auch wenn ein Schaden über 700 EUR vorliegt, kann die Beauftragung eines Sachverständigen gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen.
Die Kosten für ein Sachverständigengutachten sind jedoch nicht ersatzfähig, wenn durch ein augenscheinlichen geringfügigen Streifunfall nur ein oberflächlicher Sachschaden entstanden ist. Dann stellt die Sachverständigenbeauftragung einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar.
Für die Beurteilung, ob ein Unfall mit einem geringfügigen Schaden vorliegt, ist nach Auffassung des entscheidenden Gerichts nicht auf eine starre Bagatellschadensgrenze abzustellen, da die Reparaturkosten auch bei geringen Sachschäden je nach Fahrzeugtyp stark variieren können. Daher kann es nicht nur auf die geschätzten Reparaturkosten ankommen, ob die Sachverständigenkosten erstattungsfähig sind. Vielmehr muss auch auf die Art des Schadens abgestellt werden. Denn der gleiche Schaden erfordert bei einem Kleinwagen zumeist geringere Reparaturkosten zur Wiederherstellung, als bei einem Fahrzeug der Mittelklasse oder der gehobenen Klasse.
Unstreitig ist das Fahrzeug der Klägerin bei dem Unfall am 2.8.2007 gestreift worden. Anhand der Nahaufnahmen, vgl. Blatt 14 der Akte, stellt sich der Schaden als ein leichter Streifschaden dar, welcher keine darunter liegenden Teile beschädigte. Die Erholung eines teuren Gutachtens statt eines Kostenvoranschlages war somit für den wirtschaftlich Geschädigten nicht erforderlich, zumal die Haftungsfrage zwischen den Parteien unstreitig war. Vielmehr ergab sich aus der Art des Schadens für den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderung die Pflicht, bei der Beklagten nachzufragen, ob ein Kostenvoranschlag zum Schadensnachweis genügt.
Dem durchschnittlich sachkundigen und wirtschaftlich vernünftig denkenden Geschädigten wird dadurch kein unangemessenes Risiko aufgebürdet. Denn der Geschädigte muss zunächst immer prüfen, ob nicht ein Bagatellschaden vorliegt. Dabei ist auf seine ex-ante Sicht abzustellen und ob er befürchten musste, dass schwere Substanzschäden oder versteckte Schäden durch den Unfall eingetreten sind. Dann sind die Sachverständigenkosten zu erstatten, auch wenn ein sog. Bagatellschaden der Höhe nach vorliegt, jedoch mehr als ein leichter Blechschaden eingetreten ist. Hierfür ist jedoch nichts vorgetragen. Darüber hinaus dürfte die Klägerin als Autovermietung jedenfalls über zumindest durchschnittliche Sachkunde verfügen.
Auch verfängt die Argumentation der Klagepartei nicht, dass eine Sichtprüfung in einem solchen Fall nicht ratsam wäre, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch die weitere Ingebrauchnahme des Fahrzeugs sonstige Schäden an dem Fahrzeug entstehen. Insofern fällt nämlich auf, dass das Gutachten und die Besichtigung des Schadens nicht zeitnah zum Unfall vom 2.8.2007 erfolgte, sondern erst am 22.10.2007 mithin zweieinhalb Monate später. Die Möglichkeit, dass in der Zwischenzeit weitere Schäden eingetreten sind, lässt sich somit durch das Gutachten nicht ausschließen. Mithin war die Klage abzuweisen.“
Mitgeteilt von RA Michael Eitel, Nürnberg
3 Anmerkung
Der Geschädigte kann nach einem Verkehrsunfall grundsätzlich den Ersa...