BGB § 242 § 313 § 779
Leitsatz
Zur möglichen Auslegung und Anpassung einer umfassenden Abfindungsvereinbarung, wenn sich der Geschädigte und der Haftpflichtversicherer des Schädigers gemeinsam über die Höhe eines Rechnungspostens (hier: von der Berufsgenossenschaft zu zahlende Verletztenrente) geirrt haben, es sich um einen Irrtum von erheblicher wirtschaftlicher Tragweite handelt und der Rechnungsposten den Inhalt der Abfindungsvereinbarung maßgeblich beeinflusst hat.
BGH, Urt. v. 16.9.2008 – VI ZR 296/07
Sachverhalt
In der Regulierungsverhandlung, die mit einer Abfindungsvereinbarung hinsichtlich des Schadens in Höhe von 175.000 EUR endete, war der Nettoverdienst des geschädigten Klägers abzüglich der von der Berufsgenossenschaft seinerzeit gezahlten Verletztenrente Berechnungsgrundlage. Der Kläger erklärte einen umfassenden Verzicht auf weitere Forderungen und übernahm gegenüber der Haftpflichtversicherung des Schädigers, den Beklagten zu 2), die Verpflichtung, die von der Berufsgenossenschaft auf Grund einer Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit über 40 % gezahlten Verletztenrenten sowie die von der LVA gezahlten Erwerbsunfähigkeitsrenten, hinsichtlich deren ein Regress gegenüber der Beklagten zu 2) erfolgte, zu erstatten. Dabei legten die Parteien zu Grunde, dass der Kläger von der Berufsgenossenschaft monatlich eine von dem der Kapitalisierung zu Grunde zu legenden Verdienstausfall abzuziehende Verletztenrente von 1.081,65 EUR erhalte, was auf einen Schreibfehler in der Mitteilung des Arbeitgebers des Geschädigten zurückzuführen war. Bei zutreffender Zugrundelegung des Bruttoeinkommens des Klägers betrug die Verletztenrente lediglich 755,79 EUR. Der Kläger machte eine Anpassung des Abfindungsvergleichs im Wege einer Erhöhung des Abfindungsbetrages geltend. Das Berufungsgericht verneinte eine Anpassung, die Revision des Klägers führte unter eingehender Erörterung der für und gegen eine Anpassung sprechenden Umstände zu einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: [13] „… II. … 1. Nach der Rspr. des erkennenden Senats muss der Geschädigte, der von einem umfassenden Abfindungsvergleich abweichen und Nachforderungen stellen will, dartun, dass ihm ein Festhalten am Vergleich nach Treu und Glauben nicht zumutbar ist, weil entweder die Geschäftsgrundlage für den Vergleich weggefallen ist oder sich geändert hat, sodass eine Anpassung an die veränderten Umstände erforderlich erscheint, oder weil nachträglich erhebliche Äquivalenzstörungen in den Leistungen der Parteien eingetreten sind, die für den Geschädigten nach den gesamten Umständen des Falls eine ungewöhnliche Härte bedeuten würden. Soweit der Geschädigte das Risiko in Kauf nimmt, dass die für die Berechnung des Ausgleichsbetrages maßgebenden Faktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhen und sie sich demgemäß unvorhersehbar positiv oder negativ verändern können, ist ihm die Berufung auf eine Veränderung der Vergleichsgrundlage verwehrt (BGH, Urt. v. 28.2.1961, VersR 1961, 382 f.; v. 12.7.1983, MDR 1984, 133 = VersR 1983, 1034, 1035; v. 19.6.1990, MDR 1990, 995 = VersR 1990, 984; v. 12.2.2008, MDR 2008, 563 = BGHReport 2008, 537 = NJW-RR 2008, 649, 650).
[14] 2. Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, der Kläger habe eine umfassende Abfindungserklärung abgegeben, indem er erklärte, nach Zahlung von insgesamt 175.000 EUR hinsichtlich aller Schadensersatzansprüche aus dem Schaden, seien sie bekannt oder nicht bekannt, vorhersehbar oder nicht vorhersehbar, abgefunden zu sein, und auf jede weitere Forderung, gleich aus welchen Gründen, verzichtete.
[15] a) Das Berufungsgericht zieht allerdings nicht in Erwägung, dass sich die Begründetheit der Klage auf Grund einer Auslegung des Abfindungsvergleichs ergeben kann.
[16] Grundlage der Berechnung des auf den Verdienstausfall entfallenden Kapitalbetrages war der Nettoverdienst des Klägers abzgl. der von der Berufsgenossenschaft seinerzeit gezahlten Verletztenrente. Neben dem umfassenden Verzicht auf weitere Forderungen erklärt der Kläger in dem Abfindungsvergleich, der Beklagten zu 2) verpflichtet zu sein, die von der Berufsgenossenschaft auf Grund einer Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit über 40 % gezahlten Verletztenrenten sowie die von der LVA gezahlten Erwerbsunfähigkeitsrenten zu erstatten. Dem kann möglicherweise entnommen werden, dass der Verdienstausfall des Klägers auf der Basis einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 % auf jeden Fall ausgeglichen werden soll und zwar, soweit er nicht in die Berechnung des Vergleichsbetrags eingeflossen ist, durch Zahlung der Verletztenrente. Der Regress der Berufsgenossenschaft bei der Beklagten zu 2) soll diese im Fall einer Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht belasten, offensichtlich weil die Minderung von 40 % die Vergleichsgrundlage bildete. Nimmt man den Inhalt der Abfindungsvereinbarung insgesamt in den Blick, könnte dem zu entnehmen sein, dass dem Kläger nach der Vorstellung der Parteien neben der Abfindungssumme von ...