Kaum ein Fall bewegt die Rechtsprechung zu Vertragsverhandlungen so, wie der Fall des arglistigen Verschweigens bei vereinbartem Gewährleistungsausschluss. Umso verwunderlicher ist die geringe Anzahl an publizierter Rechtsprechung hierzu. Die Praxis orientiert sich hauptsächlich an der Frage, ob eine Aufklärungspflicht hinsichtlich des verschwiegenen Umstandes bestand. Wenn der andere Teil nach Treu und Glauben redlicherweise Aufklärung verlangen konnte, geht die Rechtsprechung auch von einer Täuschung aus. Kommt das Tatgericht zu dem Schluss, dass hinsichtlich des Umstandes X eine (nicht erfolgte) Aufklärung erfolgen hätte müssen, spricht es dem Kläger meist das auf arglistiges Verschweigen gestützte Klagebegehren zu. Bereits zum alten Recht wurde bemängelt, dass der Begriff der Arglist mehr und mehr verwässert wurde. Zutreffend weist Reinking darauf hin, dass in den behaupteten Arglistfällen oft nur Fahrlässigkeit vorlag. Das Bedürfnis nach einer großzügigen Bejahung der Arglist hatte sich im früheren Recht aus der kurzen Verjährungsfrist des § 477 BGB a.F. und dem § 476 BGB a.F. ergeben. Mit der Streichung des § 477 BGB a.F. und dem Freizeichnungsverbot beim Verbrauchsgüterkauf, gem. § 475 Abs. 1 BGB, sei fortan kein Grund mehr ersichtlich, den Käufer weiter zu begünstigen. Das neue Recht sollte materiell und verfahrensrechtlich zu einer stringenten Anwendung der Arglistvorschriften zurückkehren. Gleichwohl ist im neuen Recht immer noch eine zu großzügige Bejahung der Arglist zu beobachten.
Beispiel: Kaufvertrag unter Privaten – nach neuem Recht
Der Verkäufer übergibt dem Käufer den zeitnahen TÜV-Bericht des zu verkaufenden Gebraucht-Kfz, in dem ein Ölverlust des Motors vermerkt ist. Der Käufer bestreitet, den TÜV-Bericht vor Vertragsabschluss erhalten zu haben. Das LG kommt nach einer Beweisaufnahme zu dem zutreffenden Ergebnis, dass der Verkäufer den Ölverlust nicht erwähnt hatte. Ob der TÜV-Bericht vor oder nach Kaufvertragsabschluss übergeben wurde, lässt das LG dahingestellt, denn auch wenn der TÜV-Bericht davor übergeben worden wäre, hätte der Verkäufer nicht annehmen müssen, dass der dort vermerkte Mangel aktuell immer noch bestünde. Der Mangel sei auch wesentlich. Der Verkäufer hätte daher über den Ölverlust aufklären müssen. Auf einen Gewährleistungsausschluss könne sich der Verkäufer nicht berufen, da der Mangel arglistig verschweigen worden sei.
So oder ähnlich wird in vielen Fällen mit analoger Problemstellung judiziert. Das ist – jedenfalls in dieser Begründung – falsch, denn es verkennt, dass im Falle des arglistigen Verschweigens eine dreischichtige Prüfung erforderlich ist. In o.g. Beispielsfall hat das LG lediglich die ersten beiden Stufen, ob ein Verschweigen vorliegt (1. Stufe) und ob dieses Verschweigen eine Täuschung darstellt (2. Stufe als rechtliche Wertung des Bestehens einer Aufklärungspflicht) geprüft. Ob damit auch eine arglistige Täuschung (3. Stufe) vorliegt, hat das Gericht zwar behauptet, aber ersichtlich nicht geprüft. Das Gericht ging auf Grund des Vorliegens der ersten beiden Stufen, d.h. der Umstand ist verschwiegen, obwohl er erwähnt werden hätte müssen, ohne weiteres von einer arglistigen Täuschung aus. Einen solchen Automatismus gibt es jedoch nicht.
In der Praxis wird immer wieder übersehen, dass der Käufer im Falle eines Gewährleistungsausschlusses nicht nur für das Vorliegen des Verschweigens und einer Täuschung beweisbelastet ist, sondern auch für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung.
Im Falle des arglistigen Verschweigens liegen neben dem Rechtsproblem, ob der Käufer redlicherweise Aufklärung erwarten durfte, zwei Beweisprobleme. Einerseits handelt es sich um eine sog. innere Tatsache, zu der nur die handelnde Person etwas sagen könnte, andererseits handelt es sich um eine negative Tatsache. O.g. Anforderungen an die sekundäre Substantiierungslast gelten folgerichtig auch hier. D.h., der Kläger genügt seiner Darlegungspflicht mit der Behauptung, der Umstand X sei arglistig verschwiegen worden. Der Beklagte hat daraufhin darzulegen, zu welcher Zeit und mit welcher Erklärung er die Tatsache offenbart hat. Diese Behauptung hätte dann wiederum der Getäuschte zu widerlegen. Insofern gelten keine Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Beweis von Negativa (s.o.). Kann der Kläger die angebliche Aufklärung widerlegen, bricht die untergerichtliche Rechtsprechung oft die Prüfung ab und hält den erforderlichen Beweis für geführt. Das ist falsch, denn der Kläger ist nicht nur für die Frage des Verschweigens beweisbelastet, sondern auch für die Frage der Arglist. "Arglist erfordert einen Täuschungswillen." Im Falle der Arglist entspricht es der ständigen BGH-Rechtsprechung, dass diese Vorsatz voraussetzt. Täuschungsvorsatz kann nur dann vorliegen, wenn der Verkäufer
- den Mangel kennt oder billigend in Kauf nimmt und
- davon ausgeht oder billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und
- weiter davon ausgeht, oder billigend in ...