– arglistiges Verschweigen und negative Tatbestandsmerkmale als Beweis- und Begründungsproblem –
I. Allgemeines
Wer negative Tatumstände zu beweisen hat, tut sich schwer. Es ist streng genommen unmöglich, zu beweisen, dass sich etwas nicht ereignet hat. Dementsprechend wurde früher vertreten, dass derjenige, der nur negative Tatsachen in den Prozess einführt, z.B., dass sich etwas nicht ereignet hat, dass man nicht arglistig handelte, etc. von jeglicher Beweislast befreit sei. Dem folgt heute zu Recht weder die Rechtsprechung, noch die Lehre. Gleichwohl sind die Beweisschwierigkeiten beim Vortrag von negativen Tatbestandsmerkmalen von der Rechtsprechung anerkannt und durch richterrechtliche Vorgaben gemildert.
Macht der Kläger die übliche Vergütung i.S.v. § 612 Abs. 2, 632 Abs. 2, 653 Abs. 2 BGB geltend, so genügt es, wenn er die negative Tatsache, "die Höhe der Vergütung ist nicht bestimmt", behauptet. Der Gegner müsste nun seinerseits nach Ort, Zeit und Höhe substantiiert darlegen, welche andere Vergütungsbestimmung getroffen worden sein soll. Dem Beklagten wird in diesen Fällen eine sekundäre Darlegungslast gem. § 138 Abs. 2 ZPO auferlegt, die weit über die grundsätzliche Substantiierungspflicht des § 138 Abs. 1 ZPO hinausgeht. Das ist in diesen Fällen gerechtfertigt, um dem Kläger hinsichtlich der grundsätzlichen Beweisschwierigkeit beim Vortrag von negativen Tatbestandsmerkmalen entgegen zu kommen und die materielle Norm faktisch nicht leer laufen zu lassen.
Damit wurde die Last zum notwendigen substantiierten Bestreiten des Beklagten erhöht, während die Beweislast unverändert geblieben ist.
D.h., der Kläger, der die übliche Vergütung begehrt, hat nun nicht etwa nur Zweifel an der Richtigkeit dieser Darlegung zu wecken (das wäre ein Gegenbeweis), sondern muss die Unrichtigkeit der Darlegung (voll) gem. dem Strengbeweismaß des § 286 ZPO beweisen. Entsprechend hilft die Rechtsprechung z.B. dem Bereicherungsgläubiger. Dieser muss nicht darlegen und beweisen, dass gar kein Rechtsgrund für die Leistung besteht, sondern er kann sich begnügen, den vom Gegner behaupteten Rechtsgrund zu widerlegen. Die Rechtsprechung hilft nicht nur demjenigen, der negative Tatbestandsmerkmale darlegen und beweisen müsste, sondern auch demjenigen, der negative Tatsachen beweisen muss. Fälle dieser Art wären z.B. das Verschulden eines Beraters durch ein Unterlassen. Auch hier muss der Berater konkret darlegen, wie die rechtliche geforderte Handlung (z.B. Aufklärung) im Einzelnen ausgesehen hat.
Aus den dargestellten Fällen lässt sich das allgemeine gedankliche Schema zum Beweis der Negativa ableiten. Es wird faktisch nicht die negative Tatsache als solche bewiesen, sondern anderslautende (in Betracht kommende) positive Tatsachen werden widerlegt.
"Du sollst keinen verurteilen, ehe Du ihm den Denkprozess gemacht hast." Der Gedankenprozess zum Beweis der Negativa lautet: Auf Grund der Widerlegung der vorgetragenen positiven Tatsachen, die vorhanden sein müssten, wenn die behauptete negative Tatsache nicht vorliegen würde, kann der Umkehrschluss auf das Vorliegen der negativen Tatsache gezogen werden.
Näher darzustellen bleiben die Fälle, in denen um innere Tatsachen gestritten wird. Ein Beispielsfall wäre, die klägerische Behauptung, der Beklagte habe den Umstand X arglistig verschwiegen.
II. Der Beweis des arglistigen Verschweigens
Kaum ein Fall bewegt die Rechtsprechung zu Vertragsverhandlungen so, wie der Fall des arglistigen Verschweigens bei vereinbartem Gewährleistungsausschluss. Umso verwunderlicher ist die geringe Anzahl an publizierter Rechtsprechung hierzu. Die Praxis orientiert sich hauptsächlich an der Frage, ob eine Aufklärungspflicht hinsichtlich des verschwiegenen Umstandes bestand. Wenn der andere Teil nach Treu und Glauben redlicherweise Aufklärung verlangen konnte, geht die Rechtsprechung auch von einer Täuschung aus. Kommt das Tatgericht zu dem Schluss, dass hinsichtlich des Umstandes X eine (nicht erfolgte) Aufklärung erfolgen hätte müssen, spricht es dem Kläger meist das auf arglistiges Verschweigen gestützte Klagebegehren zu. Bereits zum alten Recht wurde bemängelt, dass der Begriff der Arglist mehr und mehr verwässert wurde. Zutreffend weist Reinking darauf hin, dass in den behaupteten Arglistfällen oft nur Fahrlässigkeit vorlag. Das Bedürfnis nach einer großzügigen Bejahung der Arglist hatte sich im früheren Recht aus der kurzen Verjährungsfrist des § 477 BGB a.F. und dem § 476 BGB a.F. ergeben. Mit der S...