ZPO § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 3

1. Nach einem Personenschaden ist es grundsätzlich zulässig, den entgangenen Gewinn gem. § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO festzustellen.

2. Der Antragsteller muss ausreichende Anknüpfungstatsachen für die begehrte Feststellung durch den Sachverständigen vortragen.

BGH, Beschl. v. 20.10.2009 – VI ZB 53/08

Der Antragsteller erlitt am 31.10.2005 einen Verkehrsunfall, für den die volle Haftung der Antragsgegnerin dem Grunde nach unstreitig ist. Seit diesem Unfall kann er seiner früheren Arbeitstätigkeit nicht mehr nachgehen. Er begehrt im Wege des selbständigen Beweisverfahrens die Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu, in welcher Höhe ihm im Zeitraum vom 1.11.2005 bis zum 31.12.2006 als Inhaber einer Polsterei für Sitz- und Liegemöbel sowie als 60-prozentiger Gesellschafter der Firma S GmbH durch den Verkehrsunfall ein Gewinn i.S.d. § 252 BGB entgangen ist.

Zur Begründung hat er vorgetragen, seinem Steuerberatungsbüro sei es auf Grund fehlender Sachkunde nicht möglich, eine Berechnung des ihm entgangenen Gewinns durchzuführen. Auch sei eine umfangreiche Außenprüfung des Finanzamts erfolgt, durch die es zu umfangreichen Berichtigungen der Steuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2002 gekommen sei. Es sei ihm nicht zuzumuten, seinen Verdienstausfallschaden pauschal anhand der korrigierten Steuerbescheide ins Blaue hinein zu schätzen, oder ein Privatgutachten eines Wirtschaftssachverständigen einzuholen.

Das LG hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen, weil es sich bei der Ermittlung des entgangenen Gewinns nicht um die Feststellung des Aufwands für die Beseitigung eines Personenschadens handele (§ 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO). Das OLG hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob es sich um die "Feststellung des Aufwands für die Beseitigung eines Personenschadens" handele. Der Antrag sei bereits mangels hinreichender Konkretisierung unzulässig. Zwar sei zur Vermeidung eines Rechtsstreits nach § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO ein rechtliches Interesse des Antragstellers in der Regel anzunehmen. Auch bei einer Beweiserhebung nach § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO sei aber nach § 487 Nr. 2 ZPO ein gewisses Maß der Substantiierung des Beweisthemas und des Vortrags zu fordern. Auf Grund der Steuerprüfung mit anschließender Berichtigung der Steuerbescheide, der erstellten Bilanzen bzw. Einnahmen-Überschuss-Berechnungen und des seit dem Unfall vergangenen Zeitraums, auf Grund dessen entsprechende Angaben auch für die Folgejahre vorliegen müssten, verfüge der Antragsteller (zumindest unter Mithilfe seines Steuerberaters) über hinreichende Kenntnisse, die zumindest eine grobe, vom Sachverständigen überprüfbare Darstellung des behaupteten entgangenen Gewinns erlaubten. Der Antragsteller habe diesen aber nicht einmal grob dargetan. Ebenso wie im Rahmen des § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO der erlittene Personenschaden zumindest hinsichtlich der erlittenen Verletzungen oder der gefühlten Gesundheitsbeeinträchtigungen zu konkretisieren sei, sei auch ein Minimum an Substantiierung in Bezug auf den angeblich erlittenen Vermögensschaden zu fordern. Dazu gehöre die Darstellung des vor dem Unfall erzielten Gewinns und die Darstellung des danach erzielten, wenn die Firma fortgeführt werde. Haben – wie vom Antragsteller behauptet – Dritte überobligatorische Leistungen zur Minimierung des Schadens erbracht, gehöre ferner zur Substantiierung die Darstellung dieser Leistungen und ein zumindest kurzer Vortrag dazu, weshalb es sich um "überobligatorische" Leistungen handele. Eine andere Sichtweise liefe auf eine auch im Rahmen des § 485 Abs. 2 ZPO unzulässige Ausforschung hinaus, obgleich im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens an die Substantiierung der Beweisfragen keine hohen Anforderungen zu stellen seien.

Aus den Gründen:

[5] “II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 575 ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg. Die Auffassung des Beschwerdegerichts, im Streitfall bestehe kein Anspruch auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens, hält rechtlicher Nachprüfung stand.

[6] 1. Im selbständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO ist es allerdings grundsätzlich möglich, nach einem Personenschaden den entgangenen Gewinn mithilfe eines Sachverständigengutachtens ermitteln zu lassen. § 485 Abs. 2 ZPO hat eine Sonderregelung für Fälle geschaffen, in denen ein selbständiges Beweisverfahren unabhängig vom drohenden Verlust eines Beweismittels zweckmäßig erscheint, weil es eine vorprozessuale Einigung der Parteien erleichtert. Dies sind Fälle, in denen es in erster Linie auf die Feststellung tatsächlicher Umstände durch eine schriftliche Begutachtung durch Sachverständige ankommt. Gegenstand des Gutachtens kann der Zustand einer Person, der Wert einer Sache, die Ursache eines Personen- oder Sachschadens oder Sachmangels und der Aufwand für die Beseitigung solcher Sc...

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