BGB § 249

Leitsatz

Der Geschädigte kann Ersatz der angefallenen Reparaturkosten verlangen, wenn es ihm entgegen der Einschätzung des Sachverständigen gelungen ist, eine fachgerechte und den Vorgaben des Sachverständigen entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt.

BGH, Urt. v. 14.12.2010 – VI ZR 231/09

Sachverhalt

Die Kl. begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 9.5.2007, für den die Bekl. als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers dem Grunde nach unstreitig haftet.

Die Kl. beauftragte am 10.5.2007 einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zum Schadensumfang. In dem Gutachten ermittelte dieser voraussichtliche Reparaturkosten i.H.v. 3.746,73 EUR brutto, einen Wiederbeschaffungswert i.H.v. 2.200 EUR und einen Restwert i.H.v. 800 EUR.

Die Kl. hat das Fahrzeug den Vorgaben des Sachverständigen entsprechend – allerdings unter Verwendung von Gebrauchtteilen – gegen Zahlung von 2.139,70 EUR brutto reparieren lassen und bis Anfang Juni 2008 weiter genutzt. Die Bekl. hat der Kl. die Nebenkosten, die Reparaturkosten und eine Nutzungsausfallentschädigung für 15 Tage i.H.v. 38 EUR täglich erstattet. Mit ihrer Klage hat die Kl. weitere 720,30 EUR Reparaturkosten sowie erstinstanzlich für weitere zwei Tage und zweitinstanzlich für einen weiteren Tag Nutzungsausfallentschädigung verlangt. Sie ist der Ansicht, die Bekl. habe nicht nur die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten, sondern fiktive Reparaturkosten bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts zu zahlen.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kl. hat das LG die Bekl. zur Zahlung eines weiteren Betrags i.H.v. 758,30 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Klage hinsichtlich der Zinsen teilweise abgewiesen. Mit der vom BG zugelassenen Revision verfolgt die Bekl. ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

2 Aus den Gründen:

[5]" I. Nach Auffassung des BG stehen der Bekl. weitere 720,30 EUR Reparaturkosten zu. Ein erforderlicher Reparaturaufwand bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts des Fahrzeugs könne grds. verlangt werden, wenn die durch Sachverständigengutachten ermittelten Reparaturkosten diesen Betrag überstiegen und der Geschädigte durch eine fachgerechte Reparatur zum Ausdruck bringe, dass er das Fahrzeug in einen Zustand wie vor dem Unfall versetzen wolle. Diese Voraussetzungen lägen nach dem Gutachten des Gerichtssachverständigen vor. Das Fahrzeug der Kl. sei unter Verwendung von Gebrauchtteilen fachgerecht repariert worden, da die verwendeten Ersatzteile den beschädigten Fahrzeugteilen gleichwertig seien.

[6] Der Kl. stehe auch die beanspruchte Nutzungsentschädigung für einen weiteren Tag, insgesamt also für 16 Tage, zu.

[7] II. Die Revision der Bekl. hat insoweit Erfolg, als das BG der Kl. weitere Reparaturkosten i.H.v. 720,30 EUR zugesprochen hat. Hinsichtlich der zusätzlichen Nutzungsausfallentschädigung für einen weiteren Tag ist das Berufungsurteil nicht zu beanstanden.

[8] 1. Die Auffassung des BG, die Kl. könne über die bereits ersetzten Reparaturkosten i.H.v. 2.139,70 EUR hinaus von der Bekl. die Erstattung weiterer Reparaturkosten i.H.v. 720,30 EUR verlangen, steht nicht in Einklang mit der Rspr. des erkennenden Senats.

Insoweit begehrt die Kl. den Ersatz fiktiver Reparaturkosten i.H.v. bis zu 130 % des vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswerts, obwohl für die tatsächlich durchgeführte Reparatur nur Kosten i.H.v. 2.139,70 EUR angefallen sind. Nach der Rspr. des Senats können jedoch Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs liegen, bis zur sog. 130 %-Grenze nur verlangt werden, wenn sie tatsächlich angefallen sind und die Reparatur fachgerecht und zumindest wertmäßig in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (vgl. Senatsurt. v. 15.2.2005 – VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 167 ff.; vom 8.12.2009 – VI ZR 119/09, VersR 2010, 363 Rn 5 ff.). Entgegen der Auffassung der Kl. ist damit nicht die generelle Möglichkeit einer fiktiven Schadensabrechnung bis zur 130 %-Grenze eröffnet. Die Kl. kann mithin über die bereits gezahlten konkret angefallenen Reparaturkosten hinaus nicht den Ersatz weiterer Reparaturkosten verlangen.

[9] 2. Keinen Erfolg hat die Revision, soweit sie sich dagegen wendet, dass das BG der Kl. Nutzungsausfall i.H.v. 38 EUR für einen weiteren Tag zugesprochen hat.

[10] a) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zu Grunde gelegt hat (vgl. Senatsurt. v. 18.5.2010 – VI ZR 293/08, VersR 2010, 1054 Rn 3 m.w.N.). Im Streitfall ist die Schätzung des Tatrichters revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das BG hat insb. der Kl. ...

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