RVG § 14 Abs. 1; VV RVG Nr. 2400 a.F.
Leitsatz
Für die außergerichtliche Regulierung eines Verkehrsunfalls, auf Grund dessen der Geschädigte neben materiellem Schadensersatz wegen mehrerer leichter alltäglicher Verletzungen (hier: eine Schädelprellung, ein HWS-Schleudertrauma, eine Prellung der Lendenwirbelsäule und Stauchungen, Prellungen und Schürfungen des linken Unterarms) ein Schmerzensgeld von 1.600,00 EUR geltend macht, ist nur der Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG a.F. (= Nr. 2300 VV RVG n.F.) angemessen. (Leitsatz des Bearbeiters)
OLG Brandenburg, Urt. v. 4.11.2010 – 12 U 87/10
Sachverhalt
Der Kl. erlitt bei einem Verkehrsunfall am 3.3.2007 eine Schädelprellung, ein HWS-Schleudertrauma, eine Prellung der Lendenwirbelsäule und Stauchungen, Prellungen und Schürfungen des linken Unterarms, infolge derer er bis zum 16.3.2007 arbeitsunfähig war. Der Kl. hatte sich nach dem Unfall kurzzeitig in die Notaufnahme eines Krankenhauses begeben. Dort wurden die Prellungen und Schürfungen festgestellt, wobei es keine neurologischen Defizite gab, der Kl. hatte lediglich geringe Kopfschmerzen angegeben. Zwei Tage später begab sich der Kl. zu einem niedergelassenen Arzt und beklagte Schmerzen im LWS-Bereich. Mit der Klage hat der Kl. neben seinem materiellen Schaden u.a. ein Schmerzensgeld von mind. 1.600,00 EUR sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 1.321,85 EUR auf der Grundlage einer 1,8 Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG geltend gemacht. Auf der Grundlage einer vollständigen Haftung der Bekl. hat das LG u.a. ein Schmerzensgeld von 200,00 EUR sowie vorgerichtliche RA-Kosten i.H.v. 837,52 EUR zuerkannt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Kl. hatte nur teilweise Erfolg, während die Anschlussberufung der Bekl. erfolglos als unzulässig verworfen wurde.
2 Aus den Gründen:
[1] Die Berufung des Kl. ist zulässig. Demgegenüber erweist sich die Anschlussberufung der Bekl. als unzulässig, da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO beim Berufungsgericht eingegangen ist. Den Bekl. wurde mit Verfügung vom 5.7.2010 eine Frist zur Erwiderung auf die Berufung bis zum 6.8.2010 gesetzt. Die Zustellung der Berufungserwiderung nebst Fristsetzung erfolgte unter dem 21.7.2010. Auf Antrag der Bekl. wurde die Frist zur Berufungserwiderung bis zum 16.8.2010 verlängert. Innerhalb dieser Frist ging auch eine Berufungserwiderung bei Gericht ein. Demgegenüber ging die Anschlussberufungsschrift vom 1.10.2010 erst drei Tage vor dem Termin am 4.10.2010 beim Brandenburgischen OLG ein und damit weit außerhalb der gesetzten Berufungserwiderungsfrist.
[2] Die Berufung ist nur z.T. begründet.
[3] Soweit der Kl. über die bereits zuerkannten 200,00 EUR ein weiteres Schmerzensgeld von 1.000,00 EUR begehrt, ist ein weiteres Schmerzensgeld nur i.H.v. 300,00 EUR angemessen, so dass dem Kl. insgesamt ein Schmerzensgeld i.H.v. 500,00 EUR zusteht. …
[5] Hinsichtlich der außergerichtlichen Anwaltskosten bestimmt sich die Geschäftsgebühr nach VV 2004 zum RVG unter Berücksichtigung der im Jahre 2007 noch gültigen Rechtslage. Der zugrunde zu legende Gebührensatz beträgt 0,5–2,5. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Bei diesem Gebührentatbestand handelt es sich um eine Rahmengebühr i.S.d. § 14 RVG. Im vorliegenden Fall erforderte die Erledigung der Angelegenheit entgegen der Auffassung des Kl. nur einen durchschnittlichen Aufwand. Für die Abwicklung eines Verkehrsunfalls ohne Besonderheiten ist eine 1,3-fache Geschäftsgebühr i.d.R. angemessen (BGH NJW 2008, 3641 f.; OLG Saarbrücken OLGR 2009, 549 f.). Dass für die Abwicklung des hier maßgeblichen Verkehrsunfalls ein überdurchschnittlicher Aufwand erforderlich war, haben der Kl. bzw. sein Prozessbevollmächtigter nicht hinreichend plausibel dargelegt. Insb. die Einschätzung, dass jeder Personenschaden der Bewertung der Sache einen überdurchschnittlichen Charakter gibt, erscheint verfehlt. Der Kl. hat hier leichte Verletzungen erlitten, die in einem ärztlichen Bericht niedergelegt waren und die seitens des Prozessbevollmächtigten lediglich noch einmal wiederholend dargestellt werden mussten. Es ist bei einem Verkehrsunfall nichts ungewöhnliches, das neben materiellen Schäden auch Körperschäden eintreten. Allein dieser Gesichtspunkt rechtfertigt eine Erhöhung des Gebührensatzes nicht. Liegen dagegen schwere Verletzungen vor oder wurde der Geschädigte bei dem Unfall gar getötet, ergeben sich ganz andere Erschwernisse, die neben der in solchen Fällen oft auch schwierigen Bemessung des Schmerzensgeldes insb. Haushaltsführungsschäden oder Unterhaltsschäden umfassen, deren Darstellung i.d.R. schwierig und umfangreich ist. Von alledem kann hier keine Rede sein, denn die anwaltliche Tätigkeit in Bezug auf den Personenschaden beschränkte sich auf die Entgegennahme der ärztlichen Bescheinigung, die der Prozessbevollmächtigte des Kl. lediglich noch vorzulegen brauchte.
[6] Auch die Geltendmachung der materiellen Schäden wa...