VVG § 28 Abs. 4
Leitsatz
1. Dem Erfordernis einer gesonderten Mitteilung in Textform i.S.v. § 28 Abs. 4 VVG genügt es, wenn der VR die Belehrung des VN in einen Schadenmeldungsfragebogen oder ein sonstiges Schreiben aufnimmt, in welchem dem VN Fragen zur Aufklärung des Versicherungsfalls gestellt werden.
2. In diesen Fällen muss sich die Belehrung durch ihre Platzierung und drucktechnische Gestaltung vom übrigen Text derart abheben, dass sie für den VN nicht zu übersehen ist.
BGH, Urt. v. 9.1.2013 – IV ZR 197/11
Sachverhalt
Der Kl. begehrt Versicherungsleistungen aus einer bei der Bekl. gehaltenen Firmenschutzversicherung, welche auch den Schutz vor Einbruchsdiebstahl umfasst. Nach seiner Behauptung wurde in der Nacht vom 28. auf den 29.5.2009 in die Räume seines Fliesenlegerbetriebes eingebrochen und eine Reihe von Werkzeugen und Maschinen entwendet, deren Wert der Kl. auf jedenfalls 31.000 EUR beziffert.
Die Bekl. forderte den Kl. mit Schreiben v. 3.9.2009 auf, zahlreiche weitere Fragen zur Sachverhaltsaufklärung zu beantworten. Der Text des zweiseitigen Schreibens lautet am Ende:
"Abschließend erteilen wir Ihnen folgende Belehrung: (Mitteilungen über die Folgen bei Verletzung von Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheiten nach dem Versicherungsfall) …"
Verletzen Sie arglistig oder vorsätzlich die Obliegenheit zur Auskunft oder zur Aufklärung, werden wir von der Verpflichtung zur Leistung frei.
Verstoßen Sie hingegen grob fahrlässig gegen eine dieser Obliegenheiten, können wir unsere Leistung im Verhältnis zur Schwere Ihres Verschuldens kürzen. Die Kürzung wird unterbleiben, wenn Sie nachweisen, dass die Obliegenheit nicht grob fahrlässig verletzt wurde.
Trotz Verletzung Ihrer Obliegenheit zur Auskunft oder Aufklärung bleiben wir jedoch insoweit zur Leistung verpflichtet, als Sie nachweisen, dass die vorsätzliche oder grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang unserer Leistungspflicht ursächlich war.“
Dieser Text unterscheidet sich nicht von dem sonstigen Schriftbild des Schreibens, lediglich das einleitende Wort "Belehrung" ist fett, der nachfolgende in Klammern stehende Zusatz kursiv gedruckt.
Die Bekl. macht geltend, der Kl. habe vorsätzlich die in dem Schreiben gestellten Fragen und ebenso weitere Fragen aus nachfolgenden zwei Schreiben nicht ausreichend, teilweise auch unzutreffend beantwortet. Sie hält sich schon deshalb für leistungsfrei.
2 Aus den Gründen:
[13] “… II. … 1. Offen bleiben kann, ob der Kl. seine Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit verletzt hat. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob das BG nach § 314 ZPO an die Feststellung des LG gebunden war, der Kl. habe unstreitig früher einmal die eidesstattliche Versicherung abgegeben und es liege ein vollstreckbarer Titel gegen ihn vor.
[14] 2. Vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit der Bekl. nach § 28 Abs. 2 VVG kann schon deshalb nicht eintreten, weil die dem Kl. erteilte Belehrung über diese Rechtsfolgen den Anforderungen des § 28 Abs. 4 VVG nicht genügt.
[15] a) Allerdings trifft die Annahme des BG zu, dass eine schriftliche Belehrung des VN auf einem Schadenmeldungsfragebogen oder wie hier in einem individuellen Schreiben des VR, in welchem dem VN Fragen zur Aufklärung eines behaupteten Versicherungsfalls gestellt werden, das Erfordernis einer “gesonderten Mitteilung in Textform’ i.S.d. § 28 Abs. 4 VVG erfüllt.
[16] aa) Der Wortlaut des vom VVG jeweils mit Blick auf Belehrungs- oder Hinweispflichten des VR aufgestellten Formerfordernisses (vgl. neben § 28 Abs. 4 auch die §§ 19 Abs. 5, 37 Abs. 2 S. 2, 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 S. 2 VVG) macht für sich genommen nicht hinreichend deutlich, ob “gesondert’ eine absolute Trennung der Mitteilung von jeglichen anderen Texten oder lediglich von bestimmten Dokumenten fordert. Auch die Gesetzgebungsmaterialien geben darüber keinen Aufschluss (vgl. dazu Leverenz, VersR 2008, 709, 710). Dort wird nur für die gesonderte schriftliche Informations-Verzichtserklärung des VN nach § 7 Abs. 1 S. 3 VVG erläutert, deren Zweck, formularmäßige Verzichte zu vermeiden, erfordere eine ausdrückliche Erklärung in einem “gesonderten’ Schriftstück (BT-Drucks 16/3945 S. 60). Teilweise wird deshalb in der Literatur angenommen, es sei auch nach § 28 Abs. 4 VVG stets eine absolute Trennung in der Weise geboten, dass die Belehrung nur mittels einer eigens verfassten Urkunde, die als “Extrablatt’ neben der Belehrung keine weiteren Informationen enthalten dürfe, wirksam erfolgen könne. …
[17] bb) Dem ist nicht zuzustimmen. Die h.M. in Literatur und Rspr. nimmt stattdessen zutreffend an, die von § 28 Abs. 4 VVG geforderte Belehrung könne zusammen mit schriftlichen Fragen des VR innerhalb eines Dokuments erteilt werden. … Das folgt aus dem Gesetzeszweck. Danach ist eine gesonderte Mitteilung in Textform i.S.d. § 28 Abs. 4 VVG als eine anlassbezogene, lediglich von den allgemeinen Vertragsunterlagen, insb. dem Versicherungsschein aber auch den Versicherungsbedingungen und dem Produktinformationsb...