Der Maßstab, der nach § 287 ZPO an die Substantiierung des Geschädigten und die Überzeugung des Gerichts angelegt wird, ist in das Ermessen des Richters gestellt. Dadurch erhalten der Geschädigte und das erkennende Gericht eine – wenn auch nicht grenzenlose – Flexibilität, die eine vernünftige Handhabung solcher Erwerbsschäden überhaupt erst ermöglicht. In der gerichtlichen Praxis hat dies dazu geführt, die Darlegungs- und Beweisanforderungen gleitend abzusenken: Je weniger Tatsachen dem Geschädigten ohne eigenes Verschulden zum Vortrag und Beleg seines Schadens zur Verfügung stehen, desto geringer sind die Anforderungen an die Substantiierung und die Überzeugungsbildung.
Die Rechtsprechung betont insoweit stets, dass der Geschädigte zwar soweit wie möglich konkrete Anknüpfungstatsachen für die erforderliche Prognose dartun und beweisen muss, insoweit jedoch an die Darlegung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürften, wenn der Geschädigte nur wenige konkrete Anhaltspunkte für die spätere Gestaltung seines Erwerbslebens liefern könne, etwa weil er – wie im Ausgangsfall – im Zeitpunkt des Schadensereignisses noch vor oder in Ausbildung oder am Anfang der beruflichen Entwicklung stand. Zur Begründung wird angeführt, es liege in der Verantwortlichkeit des Schädigers, dass der Geschädigte in einem so frühen Zeitpunkt seiner beruflichen Entwicklung aus der Bahn geworfen werde, woraus sich die besonderen Prognoseschwierigkeiten ergeben. Wirklich überzeugend erscheint mir dies nicht. Der Schädiger soll aufgrund seines schädigenden Handelns nicht nur für die Folgen der Verletzung haften, sondern zugleich die Beweisnot des Geschädigten verantworten. Die Anknüpfung an die Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Schädigers mag vielleicht bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schädigung überzeugen, ist aber bei allenfalls leicht fahrlässigem Verhalten des Schädigers oder gar bei verschuldensunabhängiger Gefährdungshaftung unbefriedigend. Im Übrigen: Was kann der Schädiger dafür, dass ausgerechnet ein junger Mensch im verunfallten Kraftfahrzeug verletzt wurde? Medicus verweist zu Recht darauf, dass der Gedanke der Verantwortlichkeit für die Beweisnot an sich nur für die anerkannten Fälle der Beweisvereitelung passt. Ich halte es deshalb für näherliegend und auch ausreichend, den Grund für die Absenkung der Anforderung in der Zielsetzung des § 287 ZPO selbst zu suchen. Die unverschuldete Beweisnot des Geschädigten soll nicht zu materiell unbefriedigenden Ergebnissen führen, ungeachtet aller Verantwortlichkeit des Schädigers für die Schädigung. Dies allein lässt schon eine gleitende Absenkung der Anforderungen nach den Möglichkeiten des Geschädigten zu. Ob damit tatsächlich – wie Steffen es konstatiert hat – ein gewisser Schätzungsbonus zugunsten des Geschädigten verbunden ist, kann letztlich offenbleiben.