1. Tatsachengrundlagen
Auch wenn die hypothetische Entwicklung des beruflichen Fort- und Werdegangs nicht real und daher nicht beweisbar ist, sondern nur geschätzt werden kann, sind stets die Grenzen der Schadensschätzung zu beachten. Die Norm soll nämlich in erster Linie den Geschädigten entlasten und nur bedingt das Gericht. Voreilige Schätzungen ohne Ausschöpfung der möglichen Tatsachengrundlage sind nicht zulässig. Eine Schätzung ist deshalb dann – und auch nur dann – erlaubt, wenn eine exakte Berechnung des Schadens nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist. Sie verlangt stets eine hinreichende Tatsachengrundlage. Anknüpfungstatsachen müssen daher vom Anspruchsteller schlüssig dargelegt werden und über ihr Vorhandensein muss im Streitfall Beweis erhoben werden. Aber auch Einwänden des Schädigers muss das Gericht – worauf es leider immer wieder Anlass gibt, hinzuweisen – notfalls unter Hinzuziehung sachverständiger Hilfe nachgehen, wenn und soweit dies für die Schadensschätzung von Bedeutung ist.
2. Abstrakte Schadensberechnung
Fehlt es an greifbaren Tatsachen und würde eine Schätzung deshalb "völlig in der Luft hängen", sind die Grenzen richterlicher Schadensermittlung erreicht. Eine solche Schätzung wäre letztlich losgelöst von den konkreten Grundlagen des Einzelfalls und damit uneingeschränkt abstrakt. Diese objektive oder abstrakte Schadensbemessung im engeren Sinne ist ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung nach ganz überwiegender Auffassung nicht gestattet. Sie ließe sich mit § 249 BGB nur schwer vereinbaren, weil sie unabhängig vom Bestehen eines eingetretenen Vermögensnachteils ist.
Für die Schadensberechnung nach der Differenzhypothese bedarf es daher Anknüpfungstatsachen. Als Tatsachengrundlage für eine Schätzung des Verdienstausfalls auch und gerade jüngerer Personen taugt ein Grad der Erwerbsminderung oder ein Invaliditätsgrad, wie er in der Versicherungswirtschaft anhand von Gliedertaxen bestimmt wird, nach h.M. nicht. Zu Recht. Der Verdienstausfall orientiert sich ja nicht an der Arbeitskraft, die von individuellen Merkmalen wie Leistungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft, Begabung, Motivation u.a. abhängig und daher zu inhomogen ist, um irgendwie gleichgeschaltet werden zu können. Der Erwerbsschaden, so der BGH, liegt vielmehr in den Nachteilen, die wegen der geminderten Arbeitskraft im Erwerbsergebnis konkret eintreten. Eine Schadensschätzung allein anhand der (abstrakten) Erwerbsminderung ohne Anknüpfungstatsachen dafür, welches Erwerbsergebnis mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, ist deshalb nicht zulässig. Sie wäre auch – worauf Medicus mit Recht hinweist – wegen der Bedeutung der Schadensbemessung für den Betroffenen nicht wünschenswert. Angesichts der in vielen Fällen mit der Verletzung verbundenen einschneidenden Lebensveränderung, die sich gerade bei jüngeren Verletzten über viele Jahrzehnte auf ihr künftiges und gesamtes (Berufs)Leben auswirkt, wäre eine Pauschalierung des Erwerbsschadens – anders als etwa bei Sachschäden – unangemessen.
Ebenso wie die Berufswahl nicht durch Rückgriff auf eine abstrakte Erwerbsfähigkeit ersetzt werden kann, lässt sich auch das Erwerbsergebnis nicht abstrakt pauschalieren. Ein Rückgriff auf Einkommenssätze des öffentlichen Dienstes oder ein irgendwie sonst geartetes Durchschnittseinkommen führt nicht weiter. Angesichts der Individualität der Arbeitskraftverwertung lässt sich nämlich kein Durchschnittseinkommen errechnen, das auch nur einigermaßen aussagefähig und damit nicht willkürlich wäre.
3. Mindestschaden
Für eine abstrakte Schadensbemessung (i.e. Sinne) ist folglich kein Raum, so dass auch die Berechnung eines abstrakten Mindestschadens nicht zulässig ist. § 287 ZPO eröffnet jedoch die Möglichkeit, einen Minimalschaden zu schätzen, wenn zumindest nachgewiesen ist, dass überhaupt ein Schaden entstanden ist, der die Erheblichkeitsschwelle überschreite...