OWiG § 73 Abs. 2 § 74 Abs. 2
Leitsatz
Angesichts des Umstands, dass der Betr. selbst sich vor der Hauptverhandlung auf ein schuldminderndes “Augenblicksversagen’ zur Vermeidung eines Fahrverbots berufen hatte, ist es trotz der zusätzlichen Weigerung, weitere Angaben zur Sache zu machen, keineswegs ausgeschlossen, sondern vielmehr zu vermuten, dass er schon im eigenen Interesse hierzu nähere Angaben in der Hauptverhandlung machen würde, falls ihm das Gericht die Notwendigkeit hierfür verdeutlichen würde.
(Leitsatz der Schriftleitung)
Thüringer OLG, Beschl. v. 10.10.2012 – 1 Ss Bs 40/12 (173)
Sachverhalt
Gegen den Betr. wurde wegen eines Rotlichtverstoßes und nachfolgenden Unfalls ein Bußgeldbescheid über eine Regelgeldbuße von 240 EUR erlassen sowie ein einmonatiges Fahrverbot unter Beachtung der Wirksamkeitsregelung nach § 25 Abs. 2a StVG angeordnet.
Auf den Einspruch des Betr. bestimmte das AG Gotha Termin zur Hauptverhandlung auf den 29.3.2012. Mit Schriftsatz v. 15.3.2012 "gestand" der Betr. "seine Täterschaft" ausdrücklich ein, kündigte an, weitere Angaben nicht machen zu wollen, beantragte seine Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung und führte aus, sich in der Sache gegen die Verhängung eines Fahrverbots zu wenden, das bei einem "Augenblicksversagen", welches ihm im vorliegenden Fall unterlaufen sei, nicht in Betracht komme. Mit Faxschreiben v. 20.3.2012 teilte die Tatrichterin dem Verteidiger des Betr. mit, dass es bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens bleibe, da sich das Gericht im Hinblick auf die Frage der Verhängung eines Fahrverbots einen unmittelbaren Eindruck von dem Betr. verschaffen wolle und noch nichts zu dessen beruflicher Situation vorgetragen sei.
Nachdem der Tatrichterin zu Beginn der Hauptverhandlung am 29.3.2012 auf telefonische Nachfrage seitens der Kanzlei des Verteidigers mitgeteilt worden war, dass weder dieser noch der Betr. erscheinen würden, hat das AG Gotha mit Urt. vom selben Tage den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.
Gegen das Verwerfungsurteil richtet sich die Rechtsbeschwerde. Mit seiner Verfahrensrüge macht der Betr. geltend, sein Einspruch sei verworfen worden, ohne dass hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 74 Abs. 2 OWiG vorgelegen hätten, da das Gericht seinen Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG zu Unrecht abgelehnt habe.
2 Aus den Gründen:
“ … II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist bereits unzulässig.
Zwar ist die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist jedoch mit der (allein) erhobenen Verfahrensrüge nicht in zulässiger Weise begründet worden.
Bei Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG kann auf eine (mit der Sachrüge begründete) Rechtsbeschwerde ein Schuldspruch nicht angegriffen werden, da sich das Urt. darüber nicht verhält. Gerügt werden kann nur, dass das AG den Einspruch zu Unrecht wegen unentschuldigten Ausbleibens des Betr. durch Prozessurteil verworfen habe, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren (vgl. Göhler-Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 74 Rn 48a m.w.N.). Da das unentschuldigte Ausbleiben des Betr. keine vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfende Voraussetzung für die Verwerfung des Einspruchs ist, setzt die Prüfung eine dahingehende ausdrückliche, der Vorschrift des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG genügende Verfahrensrüge voraus. Danach muss der Beschwerdeführer grds. die Verfahrenstatsachen so vollständig angeben, dass das Rechtsbeschwerdegericht in die Lage versetzt wird, allein an Hand dieses Vortrags die Schlüssigkeit des Verfahrensverstoßes nachzuvollziehen (vgl. Senatsbeschl. v. 16.1.2008 – 1 Ss 294/07; Göhler-Seitz, a.a.O. Rn 48b m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die erhobene Verfahrensrüge nicht gerecht.
Wird – wie hier – beanstandet, das Gericht habe zu Unrecht einen Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG des zur Hauptverhandlung nicht erschienen Betr. abgelehnt, bedarf es unter anderem der genauen Darlegung, dass und aus welchen Gründen von der Anwesenheit des Betr. in der Hauptverhandlung kein Beitrag zur Sachaufklärung zu erwarten war (Göhler-Seitz, a.a.O.). Dies legt die Rechtsbeschwerdebegründung nicht zweifelsfrei dar.
So ist allein anhand der Rechtsbeschwerdebegründung ohne unzulässigen Rückgriff auf den Akteninhalt nicht zu erkennen, ob die mit Schriftsatz v. 15.3.2012 gemachten Angaben zu dem vom Betr. behaupteten “Augenblicksversagen’, welches nach seiner Vorstellung zu einem Absehen vom Regelfahrverbot hätte führen müssen, zureichend waren und auch ohne weitere Aussagen seinerseits in der Hauptverhandlung die tatrichterliche Beurteilung erlaubt hätten, ob tatsächlich ein solches schuldminderndes “Augenblicksversagen’ vorgelegen hat. Denn insoweit führt die Rechtsbeschwerdebegründung unter Hinweis auf den Inhalt des Schriftsatzes v. 15.3.2012 lediglich aus, dass “zum Unfallzeitpunkt an der maßgeblichen Straßenkreuzung eine Baustelle mit verwirrender Straßenführung und Beschilderung bzw. Zeic...