Ich wiederhole mich: Es wird kaum ohne gehen – dafür aber etwas leichter. Der Verlag ist der Suche nicht mehr nach dem gezahlten Schadensbetrag, sondern – nun in Abkehr von der 30. Auflage – nach der alphabetisch sortierten Verletzungsart nachgegangen. Ein vollständiger Umbau des Werkes führt damit zu einer nutzerfreundlichen Anwendung.
Erneut haben Richter am BGH Wolfgang Wellner und Rechtsanwalt Dr. Frank Häcker die Autorenschaft dieses Standardwerkes für die Bemessung von Schmerzensgeld übernommen. Es sind nicht nur etwa 220 neue Entscheidungen eingearbeitet worden, sondern neben der optischen Veränderung sind teilweise auch die Anmerkungen zu den (neueren) Entscheidungen deutlich länger gefasst worden.
Die mitgelieferte CD-ROM, mit der stichwortgestützt – wie gewohnt – recherchiert werden kann, bleibt eine unentbehrliche Hilfe, da hier in mehr als 4.500 Urteilen nach Vergleichsfällen gesucht werden kann (im Buch sind "nur" 3.200 Urteile aufgeführt, damit das Werk in der täglichen Handhabung noch praktikabel bleibt). Als neue Suchfunktion der CD-ROM sei auf die Möglichkeit hingewiesen, dass sich der Nutzer auch nur die im Buch abgedruckten Urteile anzeigen lassen kann, was u.U. für die Zitierung in der Klageschrift hilfreich sein kann.
Die Umstrukturierung lädt dazu ein, das Werk auch mal wieder durchzublättern und nach Parallelen im Verletzungsfeld selbst zu suchen. Die schwerste Verletzung ist als sog. führender Index definiert. Zusätzliche Verletzungen werden über einen Verweis in die betroffene Rubrik aufgefunden. Alle weiteren Verletzungen werden mit fortlaufenden Indizes aufgeführt. Die Konkurrenzwerke haben ihr Gegengewicht mit der Verletzungsartdifferenzierung nun verloren.
Etwas verwirrend kommen allerdings die zu den Verletzungsarten aufgeführten Entscheidungen zuweilen daher: Hier seien beispielhaft zur Rubrik "Nerven, Schwerer Schock, Depressionen und sonstige Psychische Belastungen – durch Unfalltod oder Schwerstverletzung anderer Personen" bzw. "– durch eigenen Schaden" die Ziffern 1910 (welche Verletzung ist stärker: HWS-Verletzung oder das posttraumatische Belastungssyndrom?) oder Ziffern 1995/1996 (hier werden ebenfalls das HWS-Distorsionstrauma sowie der sexuelle Missbrauch genannt – warum sind die Entscheidungen nicht in den entsprechenden Rubriken selbst zu finden?) angeführt, die in dem Kontext der Verletzungsart zunächst überraschen. Es ergibt sich erst auf den zweiten Blick, weshalb die Entscheidung an dieser Stelle eingearbeitet worden ist. Es ist also wichtig, bis zum Ende der Rubrik zu gehen, um Entscheidungen ggf. nicht zu übersehen.
Die online-Version der SchmerzensgeldBeträge über juris, die einen ständigen Zugriff auf die Schmerzensgeld-Tabelle ermöglicht, bedarf keines weiteren Lobes. Die Anwendung ist simpel und ermöglicht zudem den Abruf der Urteile im Volltext.
Insbesondere bei den SchmerzensgeldBeträgen im Bereich der Schmerzensgeldbezifferung bei Opfern von Straftaten ist der Ruf immer noch zu hören, dass noch nicht viele Entscheidungen eingesandt worden sind bzw. die Stichworte nur bedingt weiterhelfen. Insofern kann das Werk nur so umfassend sein wie auch Einsendungen erfolgen. Den Praktikern sei ans Herz gelegt, dass die Aktualität der Tabelle nur gewährleistet ist, wenn die Informationen an die Autoren oder den Verlag übermittelt werden.
Hier ist ein eigenes Kapitel für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung eingearbeitet worden, was die Bezifferung erleichtert. Immer noch müssen aber die Beträge, die die Gerichte zusprechen, schockieren. Gerade wenn man diese mit Beleidigungstatbeständen (gegenüber Polizisten) vergleicht, muss einen das blanke Entsetzen ergreifen. Die Tabelle ist aber nicht dafür da, Entrüstung hervorzurufen, sondern nur Abbild der gerichtlichen Praxis zu sein. Möge sie auch helfen, diese zu motivieren, die Beträge auch in das richtige – heißt angemessene – Maß zu bringen.
Manchmal wünschte ich mir aber dennoch eine Bewertung der Autoren. Gerade weil mit dem Autor Wellner die Chance einer Information aus "erster Hand" möglich wäre, treten diese Begehrlichkeiten vielleicht auf.
Es gilt für jeden Praktiker: Ohne die SchmerzensgeldBeträge zu Rate zu ziehen, kann kaum eine umfassende Prüfung der Ansprüche der Mandanten erfolgt sein.
Autor: Gesine Reisert
RAin Gesine Reisert, FAin für Strafrecht und FAin für Verkehrsrecht, Berlin