1. Die Entscheidung des BGH hat praktische Bedeutung nicht nur für die Anzahl der Postentgeltpauschalen, sondern auch für die Anrechnung von Vorschüssen, die der Anwalt als Wahlverteidiger erhalten hat, auf seine Vergütung als Pflichtverteidiger. Sind – wie der BGH angenommen hat – das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das Bußgeldverfahren vor dem AG dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit, so unterliegen auch die Vorschüsse, die der Verteidiger für seine Vertretung vor der Verwaltungsbehörde erhalten hat, der Anrechnung auf die Pflichtverteidigervergütung für das amtsgerichtliche Bußgeldverfahren.
2. Ich kann der Argumentation des BGH nicht in allen Punkten zustimmen.
Soweit der BGH auf den inneren Zusammenhang und den einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit abstellt, gilt dies beispielsweise auch für die zunächst außergerichtliche Verfolgung eines Zahlungsanspruchs im Rahmen eines Vertretungsauftrags und dann im Rechtsstreit vor den Zivilgerichten. Hier ist jedoch allgemein anerkannt, dass dem Anwalt sowohl für das Vertretungsmandat als auch für die Tätigkeit in jeder Gerichtsinstanz jeweils eine gesonderte Postentgeltpauschale zusteht. Soweit der BGH in diesem Zusammenhang in erster Linie auf den erteilten Auftrag abstellt, hat es der Rechtsanwalt in der Hand, mit dem Mandanten zu vereinbaren, dass er zunächst nur in der Bußgeldsache vor der Verwaltungsbehörde tätig werden solle und erst im Falle des nicht erfolgreichen Ausgangs dieser Tätigkeit dann auch im amtsgerichtlichen Verfahren. Dann fehlt es an dem vom BGH angeführten gleichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit. Die Ausstellung getrennter Vollmachten kann als Indiz für die Erteilung eines solchen Auftrags angesehen werden.
Die Regelung gesonderter Verfahrensgebühren in Teil 5, Abschnitt 1, Unterabschnitt 2 und 3 VV RVG spricht auch für besondere gebührenrechtliche Angelegenheiten. Ferner ist der BGH mit keinem Wort auf die Regelung in S. 2 der Anm. zu Nr. 4102 VV RVG eingegangen, wonach die dort geregelte Terminsgebühr im vorbereitenden Verfahren und in jedem Rechtszug entstehen kann. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn das vorbereitende Verfahren und das gerichtliche Verfahren dieselbe Angelegenheit beträfen. Ebenso wenig hat sich der BGH mit Abs. 3 der Anm. zu Nr. 5116 VV RVG befasst, nach der die dort geregelte Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen nur einmal für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und dem AG entsteht. Auch diese Regelung wäre überflüssig, wenn die Verfahren nur eine einzige Angelegenheit wären, wovon der BGH ausgeht. Hierauf hat bereits Burhoff (in: RVG in Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., "Angelegenheiten (§§ 15 ff.)", Rn 91) zutreffend hingewiesen, ohne dass dies dem BGH auch eines Wortes würdig gewesen wäre.
3. Der Gesetzgeber sieht entgegen der hier vom BGH vertretenen Auffassung das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und das nachfolgende gerichtliche Verfahren jedenfalls in der Zukunft als verschiedene Angelegenheiten an. Durch Art. 8 Nr. 8e) des voraussichtlich zum 1.7.2013 in Kraft tretenden 2. KostRMoG wird nämlich in § 17 RVG, der einen Katalog der verschiedenen Angelegenheiten aufstellt, nach Nr. 10 folgende Nr. 11 eingefügt:
"11. das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und das nachfolgende gerichtliche Verfahren".
Dies wird in dem Gesetzesentwurf wie folgt begründet:
"Mit den Vorschlägen soll die in der Rspr. und in der Literatur unterschiedliche Auffassung darüber, ob … das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und das nachfolgende gerichtliche Bußgeldverfahren jeweils unterschiedliche Angelegenheiten sind, einer Klärung zugeführt werden. Die Beantwortung dieser Frage dahingehend, dass es sich um verschiedene Angelegenheiten handelt, hat in erster Linie Einfluss auf die in jeder Angelegenheit entstehende Postauslagenpauschale."
Auch auf diese in Kürze in Kraft tretenden Gesetzesänderung, die seiner Auffassung entgegensteht, ist der BGH mit keinem einzigen Wort eingegangen. Jedenfalls wird die Entscheidung des BGH nur noch für wenige Monate praktische Bedeutung haben. Bis zum Inkrafttreten der Neuregelung in § 17 RVG kann der Rechtsanwalt durch klarstellende Fassung des Auftrags die Folgen des BGH-Urteils vermeiden.
VRiLG Heinz Hansens