BGB § 306 Abs. 2 § 307; VVG § 28 Abs. 2 und 3
Leitsatz
Die in den AGB eines Autovermietungsunternehmens enthaltene Klausel, wonach die gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgelts gewährte Haftungsfreistellung entfällt, wenn der Mieter gegen die ebenfalls in den AGB enthaltene Verpflichtung verstößt, bei einem Unfall die Polizei hinzuzuziehen, ist nach § 307 BGB unwirksam. Die durch die Unwirksamkeit der Klausel entstehende Vertragslücke kann durch die Heranziehung von § 28 Abs. 2 und 3 VVG geschlossen werden.
BGH, Urt. v. 24.10.2012 – XII ZR 40/11
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer in den Mietbedingungen der gewerblich als Autovermieterin tätigen Kl. enthaltene Bestimmung, wonach die bei der Anmietung des Kfz vereinbarte Haftungsbeschränkung entfällt, wenn der Mieter bei einem Unfallschaden nicht die Polizei hinzuzieht. In dem Automietvertrag der Parteien wurde eine Haftungsreduzierung für den Mieter von 1.000 EUR pro Tag und Schadensfall vereinbart und die Verpflichtung des Mieters bestimmt, bei jedem Unfall sofort die Polizei hinzuzuziehen. Hieran anknüpfend führte Ziffer 2 g) der Mietbedingungen folgendes an:
"Bei jedem Unfall/Schaden – gleich ob selbst oder fremd verschuldet oder schuldlos entstanden (bspw. Wildunfällen) – ist sofort die Polizei hinzuzuziehen und darauf zu bestehen, dass der Unfall/Schaden/die Beschädigung polizeilich aufgenommen wird. Die Vermieterin ist sofort zu verständigen … (bei Verstoß gegen auch nur eine dieser Verpflichtungen zur Schadensaufklärung verliert der Mieter seinen Versicherungsschutz und trägt somit trotz eventuell gezahlter Gebühr für Haftungsbeschränkung die volle Haftung für den eingetretenen Schaden)".
Der Bekl. verursachte innerhalb eines Tages an zwei verschiedenen Orten mit dem Mietfahrzeug Sachschäden, die er der Kl. im Laufe des Nachmittags meldete. Die Polizei verständigte der Bekl. nicht. Nachdem das LG den Bekl. zum Ersatz des Schadens in voller Höhe verurteilt hatte, hat das BG unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Bekl. zur Zahlung der Selbstbeteiligung hinsichtlich beider Unfälle von 2.000 EUR verurteilt, im Übrigen unter Bejahung der Haftungsfreistellung die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. mit dem Ziel der Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das BG.
2 Aus den Gründen:
[10]“ … Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
[11] 1. Zutreffend geht das BG zunächst davon aus, dass die Regelung in Ziffer 2 g) der Mietbedingungen der Kl. gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist, weil nach ihr die vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkung ohne Rücksicht auf das Verschulden des Mieters und die Relevanz der Obliegenheitsverletzung für die Interessen der Kl. entfällt.
[12] a) Zwar wird nach der Rspr. des Senats der Mieter eines Kfz nicht unangemessen benachteiligt, wenn in AGB die gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgelts gewährte Haftungsfreistellung davon abhängig gemacht wird, dass er bei Unfällen die Polizei hinzuzieht. Eine solche Klausel ist daher wirksam. Die Vereinbarung, dass bei jedem Unfall die Polizei hinzugezogen werden muss, begründet – in Begriffe der Kaskoversicherung umgesetzt – eine Obliegenheit des Mieters. Diese fügt sich in das Leitbild der Kaskoversicherung ein. Der Mieter hat es in der Hand, entweder die Obliegenheit zu erfüllen oder sich über sie hinwegzusetzen, dann aber seine Haftungsfreiheit einzubüßen. Die Obliegenheit hat auch nicht eine Verpflichtung zum Gegenstand, sich selbst bei der Polizei anzuzeigen. Der Mieter hat lediglich bei Unfällen die Polizei hinzuzuziehen, um an Ort und Stelle die erforderlichen Feststellungen treffen zu lassen. Er ist weder verpflichtet, sich selbst zu belasten, noch wird sein Recht, in einem Ermittlungsverfahren die Aussage zu verweigern, berührt (Senatsurt. v. 14.3.2012 – XII ZR 44/10, NJW 2012, 2501 Rn 16 m.w.N.).
[13] b) Ebenfalls zutreffend nimmt das BG an, dass der Mieter durch die Regelung in Ziffer 2 g) der Mietbedingungen der Kl. unangemessen benachteiligt wird, weil in dieser Klausel bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung, bei einem Unfall die Polizei zu verständigen, uneingeschränkt ein völliger Wegfall der vereinbarten Haftungsfreistellung vorgesehen ist.
[14] aa) Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine Klausel ist unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn der Verwender die Vertragsgestaltung einseitig für sich in Anspruch nimmt und eigene Interessen missbräuchlich auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (Senatsurt. v. 19.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818 Rn 17). Im Zweifel ist eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grund...