1. Eine automatisierte Kfz-Kennzeichenkontrolle begründet Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aller Personen, deren Kennzeichen in die Kontrolle einbezogen werden, auch wenn das Ergebnis zu einem "Nichttreffer" führt und die Daten sogleich gelöscht werden (Abweichung von BVerfGE 120, 378).
2. Für die Abgrenzung zwischen der dem Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zur Gesetzgebung zugewiesenen Materie der Strafverfolgung und der den Ländern grundsätzlich belassenen Materie der Gefahrenabwehr ist maßgeblich auf den Zweck der Regelungen abzustellen, wie er sich in objektivierter Sicht aus ihrer Ausgestaltung ergibt.
3. Der Landesgesetzgeber ist nicht dadurch an einer der Gefahrenabwehr dienenden Regelung gehindert, dass deren tatsächliche Wirkungen auch die Strafverfolgung befördern. Die Regelung muss jedoch strikt von der Zwecksetzung her bestimmt sein, für die die Kompetenz des Landes besteht.
4. Polizeiliche Kontrollen zur gezielten Suche nach Personen oder Sachen setzen als Grundrechtseingriffe nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich einen objektiv bestimmten und begrenzten Anlass voraus. Sie unterscheiden sich damit von Kontrollen, die an ein risikobehaftetes Tun oder die Beherrschung besonderer Gefahrenquellen anknüpfen und deshalb auch anlasslos gerechtfertigt sein können.
5. Automatisierte Kfz-Kennzeichenkontrollen müssen angesichts ihres Eingriffsgewichts dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse dienen. Die Reichweite der für den Datenabgleich herangezogenen Fahndungsbestände ist anlassbezogen zu begrenzen.
6. Als Unterstützung von polizeilichen Kontrollstellen zur Verhinderung von schweren oder versammlungsrechtlichen Straftaten stehen Kennzeichenkontrollen mit Verfassungsrecht in Einklang, wenn die Einrichtung solcher Kontrollstellen selbst an einen hinreichend gewichtigen Anlass gebunden ist. Das ist der Fall, wenn dies eine konkrete Gefahr voraussetzt.
7. Als Mittel der Schleierfahndung bedürfen Kennzeichenkontrollen einer besonderen Rechtfertigung. Diese ergibt sich aus dem Wegfall der innereuropäischen Grenzkontrollen und dem Ziel, einer hierdurch erleichterten Begehung von Straftaten entgegenzutreten. Voraussetzung ist, dass die Kontrollen sachlich und örtlich einen konsequenten Grenzbezug aufweisen.
BVerfG, Beschl. v. 18.12.2018 – 1 BvR 142/15