Weit verbreitet ist die Ansicht, dass das Verkehrsrecht, im Zivilrecht namentlich Autokauf und -leasing sowie Unfallschadenregulierung, keine besonderen Spezialkenntnisse erfordere, dass es vielmehr von jedem Anwalt/jeder Anwältin beherrscht werde. Das ist indes unzutreffend; wie andere Rechtsgebiete hat auch das Verkehrsrecht Haken und Ösen, Besonderheiten, mit denen nur "Eingeweihte" vertraut sind.
Selbst ein "simpler" Kfz-Blechschaden hat es infolge der ausdifferenzierten Rechtsprechung des VI. Senats beim BGH in sich; erst recht gilt das für Personenschäden. Die Einführung eines Fachanwalts für Verkehrsrecht am 22.11.2004 erfolgte daher durchaus zu Recht. Wie der Facharzt sich vom Allgemeinmediziner durch seine Spezialkenntnisse abhebt, ist das entsprechend beim Fachanwalt gegeben, auch bei dem für Verkehrsrecht.
Die Homepage www.verkehrsanwaelte.de vermittelt den Eindruck, als ob die in der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht zusammengeschlossenen ca. 6.000 Verkehrsanwälte ausschließlich die Anliegen der Anspruchsteller vertreten. Es finden sich dort folgende Formulierungen:
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"Seit über 30 Jahren setzen wir uns für die Rechte von Geschädigten ein." |
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"Wir beurteilen Haftungsfragen und schätzen Ihre Schadensersatzansprüche realistisch ein." |
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"Außerdem setzen wir Ihre Rechte gegenüber der Versicherung durch – es geht um das Geld, das Ihnen zusteht." |
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"Die Verkehrsanwälte beobachten mit großer Sorge die wachsenden Aktivitäten der Kfz-Haftpflichtversicherer zur Steuerung der Unfallschadenregulierung in einem allein den Versicherern genehmen Sinne." |
Nach der Wahrnehmung des akademischen Lehrers besteht in der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht solche "Einseitigkeit" zugunsten der Geschädigteninteressen aber keinesfalls. Mögen die Anwälte der Ersatzpflichtigen auch zahlenmäßig in der Minderheit sein, in den in § 2 der Geschäftsordnung vorgesehenen Ziele und Aufgaben, nämlich "Einflussnahme auf die Meinungsbildung und auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich berufspolitischer Fragestellungen" sowie "Förderung der Fortbildung" sind sie jedenfalls gleichgewichtig, bei der Förderung der Fortbildung eher mehrheitlich vertreten. Das ist nicht kritikwürdig, sollte aber aus Transparenzgründen offen gelegt werden.
Der Rechtsstaat lebt von kompetenten Akteuren. Zivilgerichte können gehaltvolle Entscheidungen nur fällen, wenn fachkundige Anwälte dazu entsprechendes Vorbringen erstatten bzw. überzeugende Einwendungen erheben. Der Gesetzgeber ist viel zu weit vom konkreten Fall entfernt, um aus eigener Anschauung beurteilen zu können, wo der Schuh beim Bürger drückt.
Der Anwalt bzw. die in der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht gebündelte Kompetenz ist in der Lage, Defizite im Rechtsleben des Alltags wahrzunehmen und an der Ausdifferenzierung der Rechtsprechung mitzuwirken bzw. den Gesetzgeber zu veranlassen, gebotene Änderungen vorzunehmen. Die Formulierung von dem ausgewogenen Interessenausgleich verpflichteten Positionen kann infolge der Mitwirkung von Anwälten, die der Sicht der Anspruchsteller (Direktgeschädigte, Leasinggeber, Werkstätten, Sozialversicherungsträger) wie auch der Ersatzpflichtigen (im Regelfall der [Kfz-]Haftpflichtversicherer) verpflichtet sind, Leitbild für sachgerechte gesetzliche Regelungen sein.
Bei der überaus verantwortungsvollen Aufgabe der Vertretung der Klienteninteressen, aber auch der Fortbildung der Fachanwälte für Verkehrsrecht und der Beteiligung am Meinungsbildungsprozess im Rahmen der Gesetzgebung wünsche ich der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht alles Gute. Wenn man auch – auf ihrer Homepage www.verkehrsanwaelte.de – nach außen in Beachtung des Transparenzprinzips klarstellen würde, dass sie von meist gleichlaufenden standespolitischen Interessen der Anwaltstätigkeit abgesehen die Interessen durchaus gegenläufiger Klienten wahrnimmt, in ihren Stellungnahmen somit bereits ein Ausgleich widerstreitender Interessen stattfindet, könnte ihr Gewicht künftig womöglich sogar noch größer sein als bisher, was ich ihr von Herzen wünsche.