VVG § 82; AKB 2020 § 4 Abs. 1 lit. c
Leitsatz
1. Widerruft ein VN einen Darlehensvertrag und verweigert der Kreditgeber anschließend die Löschung der für das Darlehen bestellten Grundschuld, so liegt der den Rechtsschutzfall auslösende Pflichtenverstoß in der Zurückweisung des Widerrufs und der Rückabwicklung des Vertrages.
2. Gegen die Erforderlichkeit einer Klage auf Löschungsbewilligung spricht nicht, dass die Grundschuld auch Ansprüche aus dem Rückabwicklungsverhältnis sichert.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Hamm, Urt. v. 31.10.2018 – 20 U 35/18
Sachverhalt
Die Kl. nehmen die Bekl. aus einer Rechtsschutzversicherung, der die ARB 2013 zugrunde lagen, auf Feststellung in Anspruch, dass die Bekl. bedingungsgemäßen Deckungsschutz für beabsichtigte Klagen gegen zwei Kreditinstitute auf Erteilung von Löschungsbewilligungen für Grundschulden zu gewähren habe.
Im Jahre 2008 schlossen die Kl. zur Finanzierung des Erwerbs eines Grundstücks nebst selbstgenutzter Immobilie einen Darlehensvertrag über einen Nettokreditbetrag von 150.000 EUR mit der X. Im Jahre 2014 vereinbarten sie einen weiteren Darlehensvertrag mit der Y über einen Nettokreditbetrag von insgesamt 165.000 EUR, der teils zur Ablösung des Darlehens bei der X, teils zur Finanzierung nicht genehmigungspflichtiger Renovierungsmaßnahmen bestimmt war. Als Sicherheit bestellten die Kl. sowohl zugunsten der X als auch zugunsten der Y jeweils eine Grundschuld an dem 2008 erworbenen Grundstück. Beide Grundpfandrechte sicherten nach den zugrunde liegenden Sicherungsverträgen jeweils auch Ansprüche der Bank aus etwaigen Rückabwicklungsverhältnissen. Im Februar 2016 erklärten die Kl. gegenüber der S und gegenüber der Y den Widerruf ihrer auf den Abschluss des jeweiligen Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung. Beide Kreditinstitute wiesen den Widerruf zurück. Die Kl. begehren Deckung für eine Klage auf Erteilung einer Deckungsbewilligung.
2 Aus den Gründen:
"… Zu Recht hat das LG angenommen, dass ein Versicherungsfall, aus welchem sich ein solcher Anspruch ergibt, eingetreten ist."
a) Unstreitig umfasst der Vertrag zwischen den Kl. und der Bekl. den Vertragsrechtsschutz. Dieser gilt gem. § 2 lit. d) ARB 2013 für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen. Ein solcher Fall liegt hier vor, weil die Kl. gegenüber den Kreditinstituten aus dem Sicherungsvertrag resultierende Ansprüche auf Rückgewähr einer dinglichen Sicherheit geltend machen. Dass eine nach § 3 ARB 2013 ausgeschlossene Rechtsangelegenheit vorläge, macht die Bekl. – zu Recht – nicht geltend.
b) Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rechtsschutz gem. § 4 ARB 2013 sind erfüllt.
aa) Gem. § 4 Abs. 1 lit. c) ARB 2010 entsteht der Anspruch auf Rechtsschutz von dem Zeitpunkt an, in dem der VN oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.
Der den Rechtsschutzfall auslösende Pflichtenverstoß wird bestimmt durch das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten, aus dem der VN seinen Anspruch herleitet (vgl. BGH VersR 2013, 899). Dieses den Kreditinstituten vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten liegt hier nicht etwa in der Verwendung einer womöglich fehlerhaften Widerrufsbelehrung, sondern in der Zurückweisung des von den Kl. erklärten Widerrufs und der damit einhergehenden Weigerung, die Verträge rückabzuwickeln (vgl. OLG Stuttgart VersR 2016, 1439; OLG Köln VersR 2017, 484).
bb) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Einwand der Bekl., ein “Rechtsschutzfall in Bezug auf die Grundschulden' liege noch gar nicht vor, sondern zunächst nur bezüglich der Frage der Wirksamkeit der Widerrufserklärungen.
Damit kann der Eintritt des Versicherungsfalls als solcher nicht in Frage gestellt werden, denn dieser liegt wie dargelegt in dem behaupteten Pflichtenverstoß der Kreditinstitute. Zwar ist zutreffend, dass beim Vorliegen mehrerer Verstöße gegen vertragliche Pflichten, die zu Streitigkeiten über verschiedene Gegenstände geführt haben, der Versicherungsschutz grds. für jede dieser Streitigkeiten gesondert geprüft werden muss (Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 30. Aufl. 2018, § 4 ARB 2010 Rn 123). Die Frage, ob seitens der Kreditinstitute nach Zahlung des sich aus der Rückabwicklung ergebenden Betrages die dingliche Sicherheit zurückzugewähren ist, und die vorgelagerte Auseinandersetzung über die Wirksamkeit des Widerrufs betreffen hier aber nicht verschiedene Gegenstände in diesem Sinne; vielmehr ist die Frage der Wirksamkeit des Widerrufs entscheidend – einheitlich – auch für die tatsächlich zwischen den Kl. und den Kreditinstituten geführte Auseinandersetzung über die Pflicht zur Rückgewähr der dinglichen Sicherheit.
cc) Auf einen Ausschluss des Versicherungsschutzes nach § 4 Abs. 3 ARB 2013 hat sich die Bekl. – zu Recht – nicht berufen.
c) § 3a Abs. 1 lit. a) ARB 2013 steht der Verpflichtung der Bekl. zur Gewährung von Deckungsschutz nicht entgegen.
Danach kann der VR den Rechtsschutz ablehnen, wenn die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen...