VVG § 86
Leitsatz
Die Obliegenheit des VN, einen ihm gegen einen Dritten zustehenden Anspruch, der im Fall einer – gerichtlich erzwungenen – Leistung des VR gem. § 86 Abs. 1 VVG auf diesen übergehen würde, nicht aufzugeben (§ 86 Abs. 2 VVG), besteht auch fort, nachdem der VR seine Leistungspflicht dem Grunde nach endgültig abgelehnt hat.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 7.11.2018 – 5 U 22/18
Sachverhalt
Die KI. macht gegen die Bekl., ihren Firmen-Inhaltsversicherer, einen Anspruch auf Entschädigung für Ertragsausfälle infolge einer mehrwöchigen Schließung ihrer von der K gepachteten Gaststätte geltend, die sie als Folge eines Leitungswasserschadens im Jahr 2013 betrachtet. Nach Abschluss des Pachtvertrages im Jahr 2008 waren in den Folgejahren mehrere Wasserschäden entstanden, über deren Ursachen Streit herrschte. Erst 2014 führte eine Sanierung zu einem erstmals den Anforderungen an eine gewerbliche Küche als Nassraum entsprechenden Zustand.
Die Bekl. wendet sich gegen ihre Leistungspflicht. Sie begründet das in erster Linie mit dem Bestreiten eines versicherten Wasserschadens, in zweiter Linie mit dem Einwand, die Geschäftsführer der KI. hätten K gegenüber – unstreitig – auf Ansprüche wegen des Wasserschadens verzichtet.
2 Aus den Gründen:
"… Die Bekl. ist nicht verpflichtet, die Kl. für den Ertragsausfall zu entschädigen, der durch die Betriebsschließung im Januar/Februar 2014 verursacht wurde."
a. Die Kl. vermochte einen Ursachenzusammenhang zwischen einem bedingungsgemäßen Leitungswasserschaden und dem Ertragsausfall während der Zeit der Bodenerneuerung nicht zu beweisen (§ 10 Abs. 1, 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 und 2 BFINH). Gewichtige Anhaltspunkte sprechen dafür, dass die Betriebsschließung deshalb erfolgte, weil die für den Zustand der Gaststättenräume verantwortliche Verpächterin die am 17.2.2013 bemerkte und beseitigte Rohrverstopfung zum Anlass nahm, nach verschiedenen unzureichenden Sanierungsmaßnahmen nunmehr eine “dauerhaft intakte Großküche' herzustellen. (…)
d. Selbst wenn man unterstellen würde, die Anfang 2014 sanierten Bodenschäden wären durch einen bestimmungswidrigen Austritt von Leitungswasser im Zusammenhang mit der Rohrverstopfung im Februar 2013 hervorgerufen worden, stünde der Kl. die begehrte Entschädigung nicht zu. Unter dieser Prämisse wäre nämlich der von der Bekl. in der Berufungsinstanz erhobene Einwand der Leistungsfreiheit gem. § 86 Abs. 2 S. 2 VVG begründet.
(1) Das LG hat sich mit diesem Komplex nicht befasst, weil die Bekl. hierzu in erster Instanz nichts vorgetragen hatte. Der Senat kann entsprechende Feststellungen nachholen. (…) Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die im April 2016 getroffene, der Bekl. aber erst im März 2018 bekannt gewordene Verzichtsvereinbarung zwischen der Kl. und ihrer Verpächterin K erfüllt.
(2) Gem. § 86 Abs. 1 VVG geht ein dem VN gegen einen Dritten zustehender Ersatzanspruch auf den VR über, soweit der VR den Schaden ersetzt. Nach § 86 Abs. 2 S. 1 VVG ist der VN gehalten, jenen Ersatzanspruch zu wahren und bei dessen Durchsetzung mitzuwirken. Verletzt er diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der VR zur Leistung insoweit nicht verpflichtet, als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann.
Die Obliegenheit des § 86 Abs. 2 S. 1 VVG verbietet dem VN jedes Handeln, das zum Verlust des übergangsfähigen Anspruchs führt oder seine Realisierung hindert (Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 86 Rn 69 f.). Sie gilt im Recht der Schadensversicherung. Die Betriebsunterbrechungsversicherung zählt dazu (OLG Stuttgart NZM 07, 286).
(3) Die Kl. hatte aus dem Pachtvertrag einen nach § 86 Abs. 1 VVG übergangsfähigen Schadensersatzanspruch gegen die K.
(a) Gem. § 581 Abs. 2 i.V.m. § 536a Abs. 1 BGB kann der Pächter Schadensersatz verlangen, wenn ein Mangel der Pachtsache bei Vertragsschluss vorhanden war oder später wegen eines vom Verpächter zu vertretenden Umstands entsteht.
Beim anfänglichen Mangel ist die Schadensersatzpflicht nach dem Gesetz als verschuldensunabhängige Garantiehaftung ausgestaltet. Die von der Kl. gepachteten Gaststättenräume waren bereits bei Abschluss des Pachtvertrags mängelbehaftet. Entscheidend für die zeitliche Einstufung ist nicht der Schadenseintritt, sondern der Zeitpunkt, zu dem der ihn auslösende Mangel vorlag. Allerdings ist nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass ein während der Pachtdauer funktionsuntüchtig werdendes Bauteil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses latent mangelhaft gewesen sein müsse. Lässt sich aber die Schadensursache in die Zeit vor Vertragsschluss zurückverfolgen, genügt es für die Annahme eines anfänglichen Mangels, wenn die Gefahrenquelle oder die Schadensursache von Beginn an vorhanden war.
Im Streitfall steht fest, dass die Küche vor der Sanierung im Jahr 2014 den Anforderungen an eine gewerbliche Küche als sog. Nassraum zu keinem Zeitpunkt entsprochen hatte (…).
Im Rahmen des § 536a Abs. 1 BGB zählt der entgangene Gewinn in Form von Einnahmeausfällen bei der Anmietung gewerblicher Räume infolge mangelbedingt unterbrochener Geschäfte z...