VVG § 174; BB-BUZ § 7 Abs. 2 § 6 Abs. 5
Leitsatz
Zum Erfordernis einer Änderungsmitteilung des Versicherers bei späterem Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit trotz Nichtabgabe eines Leistungsanerkenntnisses.
BGH, Urt. v. 18.12.2019 – IV ZR 65/19
Sachverhalt
Der Kl. begehrt Leistungen aus Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen.
Die GmbH, deren Geschäftsführer der Kl. zeitweilig war, hielt bei der Bekl. drei Kapitallebensversicherungen mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, die den Kl. als versicherte Person nannten. Zwei dieser Verträge wurden 1995 und 1996 abgeschlossen; ihnen liegen AVB zugrunde, die u.a. folgende Regelung enthalten:
Zitat
"§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?"
3. Ist der Versicherte sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, so gilt die Fortdauer dieses Zustandes von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.
§ 5 Wann geben wir eine Erklärung über unsere Leistungspflicht ab?
2. Wir können ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis unter einstweiliger Zurückstellung der Frage aussprechen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 1 ausüben kann.
§ 7 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?
4. Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50 % vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte aus § 6 mit, sie wird nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden dieser Mitteilung wirksam, frühestens jedoch zu Beginn der darauffolgenden Rentenzahlungsperiode.“
Dem 2009 abgeschlossenen Versicherungsvertrag liegen BB-BUZ zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:
Zitat
"§ 6 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?"
(5) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50 % vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen. In diesem Fall legen wir Ihnen die Veränderung in Textform dar und teilen die Einstellung unserer Leistungen dem Anspruchsberechtigten in Textform mit. Die Einstellung unserer Leistungen wird mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang unserer Erklärung bei Ihnen wirksam. …“
In den "Besonderen Bestimmungen" (BB) ist u.a. geregelt:
Zitat
"4.1. Ist die versicherte Person mindestens sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, ihren zuletzt ausgeübten Beruf – so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war – auszuüben, so gilt dieser Zustand von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit, es sei denn, sie übt eine andere ihrer Ausbildung, Erfahrung und Lebensstellung entsprechende Tätigkeit konkret aus."
Der Kl. beendete am 4.5.2010 seine Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH. Anschließend beantragte er bei der Bekl. Berufsunfähigkeitsleistungen und gab unter dem 13.8.2010 im Antragsformular an, er sei noch immer krankgeschrieben und habe kein Beschäftigungsverhältnis. Die Bekl. lehnte mit Schreiben vom 14.6.2011 ihre Einstandspflicht mit der Begründung ab, dass keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliege, und kündigte die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen außerordentlich und fristlos. Sie erstattete außerdem Strafanzeige gegen den Kl. Der Kl. wurde später vom Vorwurf des versuchten Betruges zum Nachteil der Bekl. rechtskräftig freigesprochen.
Der Kl. behauptet, seit Mai 2010 aufgrund einer psychischen Erkrankung in seinem Beruf als Geschäftsführer berufsunfähig zu sein.
2 Aus den Gründen:
"… II."
[10] 1. Die Revision der Bekl. ist nur teilweise begründet. Die vom BG zugesprochene Hauptforderung ist um 2.222,58 EUR zu reduzieren.
[11] a) Das BG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der Kl. als versicherte Person hier die Versicherungsansprüche selbst geltend machen kann, was auch von der Revision zu Recht nicht angegriffen wird. Weiter hat das BG rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Kl. von Mai 2010 bis einschließlich September 2012 aufgrund einer mindestens mittelgradigen depressiven Episode bedingungsgemäß berufsunfähig war. (…)
[12] b) Zu Recht hat das BG dem Kl. Berufsunfähigkeitsrenten ab Juni 2010 zugesprochen. Die Leistungspflicht der Bekl. begann gem. § 1 Abs. 3 AB-BUZ und § 1 Abs. 3 BB-BUZ mit Ablauf des Monats, in dem Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Das war hier nach den Feststellungen des BG im Mai 2010 der Fall. Das BG hat die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit gem. § 2 Abs. 3 AB-BUZ und § 2 Abs. 3 BB-BUZ in der Fassung von Ziff. 4.1. der BB festgestellt, wonach die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen sein muss, ihren Beruf auszuüben. ...