ZPO § 138 III § 286

Leitsatz

a) Bezieht sich der Anspruchsteller zur Begründung seiner Klage auf ein strafgerichtliches Urteil, durch das der Anspruchsgegner zu einer Strafe verurteilt worden ist, so setzt ein wirksames Bestreiten des Anspruchsgegners nicht voraus, dass er den vom Anspruchsteller in Bezug genommenen strafgerichtlichen Feststellungen einen spiegelbildlichen, in gleicher Weise geschlossenen Entwurf des Gesamtgeschehens entgegensetzt. Vielmehr kann er auch in diesem Fall einzelne, den vom Anspruchsteller geltend gemachten Anspruch tragende Behauptungen bzw. Feststellungen herausgreifen und diese bestreiten. …

c) Der Tatrichter ist nicht daran gehindert, seine Überzeugung i.S.v. § 286 ZPO auf das Verhalten und die Äußerungen einer Partei im vorangegangenen Strafverfahren und die dort getroffenen Feststellungen selbst zu stützen. Auch in diesem Falle ist er allerdings nicht berechtigt, von der Erhebung erheblicher, gegenbeweislich angebotener Beweise abzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2004 – II ZR 136/02, MDR 2004, 954 = NJW-RR 2004, 1001, 1002).

BGH, Beschl. v. 25.9.2018 – VI ZR 443/16

Sachverhalt

Die klagende GmbH nahm Kontakt zu dem Bekl. auf, um EU-Fördergelder zu beantragen. Der Bekl. gab bewusst wahrheitswidrig an, er könne die Fördergelder beschaffen, falls die Kl. an ihn eine sog. Initialpauschale von 550.000 EUR zahle. Die Kl. zahlte den geforderten Betrag. Die Fördermittel wurden nicht ausgezahlt. Der Bekl. wurde durch inzwischen rechtskräftiges Strafurteil wegen Betruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Kl. machte in einem Zivilrechtsstreit die Verurteilung des Bekl. zur Rückzahlung der sog. Initialpauschale geltend. LG und OLG gaben der Klage statt. Das OLG zog zur Begründung seines Urteils den im Strafurteil festgestellten Sachverhalt heran und ging davon aus, dass der Bekl. die Feststellungen im Strafurteil unzureichend bestritten habe. Dazu hätte der Bekl. der Darstellung im Strafurteil einen spiegelbildlichen, in gleicher Weise in sich geschlossenen Entwurf einer Schilderung des Gesamtgeschehens entgegen setzen müssen.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Bekl. hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen:

"…"

[8] 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, das BG habe mit diesen Ausführungen die Anforderungen an ein wirksames Bestreiten der im Strafverfahren getroffenen und von der Kl. in Bezug genommenen Feststellungen überspannt und den Bekl. damit in seinem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. zum Überspannen der an ein wirksames Bestreiten zu stellenden Substantiierungsanforderungen als Gehörsverstoß: Senatsbeschl. v. 25.3.2014 – VI ZR 271/13, NJW-RR 2014, 830 Rn 3, 7 f.).

[9] a) Zutreffend ist allerdings, dass der Anspruchsteller seinen Anspruch im Zivilprozess durch konkrete Bezugnahme auf ein als Anlage vorgelegtes, ausführlich begründetes rechtskräftiges Strafurteil schlüssig darlegen kann und dies nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungslast des Anspruchsgegners erhöht (vgl. nur Senatsbeschl. v. 24.1.2012 – VI ZR 132/10 Rn 3, juris). Schon die Annahme des BG, es bedürfe in einem solchen Fall einer den Darstellungen im Strafurteil spiegelbildlichen, in sich geschlossenen Darstellung des Gesamtgeschehens, trifft aber nicht zu. Auch bei Vorlage eines Strafurteils kann sich der Bekl. – wie sonst auch – darauf beschränken, einzelne, den geltend gemachten Anspruch tragende Behauptungen des Anspruchstellers herauszugreifen und diese zu bestreiten. Die fehlende Gesamtdarstellung mag im Rahmen der eigenen Beweiswürdigung des Zivilgerichts Bedeutung erlangen können; für die Frage nach dem Vorliegen hinreichend substantiierten Bestreitens ist sie unerheblich.

[10] b) Hängt aber die Wirksamkeit des Bestreitens des Anspruchsgegners in einem solchen Fall nicht davon ab, dass er eine in sich geschlossene, den vom Anspruchsteller in Bezug genommenen strafgerichtlichen Feststellungen spiegelbildliche Gesamtdarstellung des Geschehens vorlegt, so kann im Streitfall entgegen der Annahme des BG schon nicht davon ausgegangen werden, der Bekl. habe das Vorliegen einer Täuschung, die notwendige Voraussetzung für den vom BG bejahten Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB ist, nicht wirksam bestritten.

[11] aa) Wie ausgeführt hat das BG die Täuschungshandlung des Bekl. darin gesehen, dass er dem vormaligen Geschäftsführer der Kl. im Gespräch vom 8.12.2008 wahrheitswidrig vorgespiegelt habe, dass er aufgrund seiner guten Kontakte in der Lage sei, der Kl. Fördermittel zu verschaffen, dass Voraussetzung für die Erlangung der Fördergelder nur noch der Abschluss des Beratungsvertrages und die Zahlung der Initialpauschale bis Ende 2008 sei und dass die Zahlung der Initialpauschale lediglich einen durchlaufenden Posten für die Kl. darstelle, weil die Europäische Union Verwaltungskosten bei einem positiven Fördermittelbescheid erstatte. Genau diese Behauptungen hatte der Bekl. – was die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend aufzeigt – aber bestritten...

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