Nicht nur wegen der noch immer in vielen Punkten umstrittenen Auslegung der Fluggastrechteverordnung ergingen die meisten individualreiserechtlichen Entscheidungen wieder zum Luftbeförderungsrecht. Die sonstigen Verkehrsmittel (insb. Eisenbahn, Bus und Schiff ) sind bei der Gesamtbetrachtung der individualreiserechtlichen Rechtsprechung im Berichtszeitraum 2019 von eher untergeordneter Bedeutung.
I. Verzögerte Abfertigung wegen eines Systemausfalls im Flughafenterminal
Mit zwei weitgehend inhaltsgleichen Urteilen vom 15.1.2019 hatte der BGH über große Endzielverspätungen auf einer mehrgliedrigen Flugverbindung von New York über London nach Stuttgart zu entscheiden. In einem Terminal des Flughafens JFK in New York waren alle Computer an den Abfertigungsschaltern ausgefallen. Da wegen einer daraus resultierenden Abflugverzögerung und einer gut zweistündigen Ankunftsverspätung in London der Anschlussflug verpasst wurde, erreichten die Fluggäste das Endziel Stuttgart erst mit einer Verspätung von mehr als neun Stunden. Die betroffenen Kl. begehrten Ausgleichszahlungen. Dazu urteilte der BGH, dass ein mehrstündiger Ausfall aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern eines Terminals außergewöhnliche Umstände i.S.v. Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung begründen kann, wenn der Ausfall einen erhöhten Aufwand bei der Abfertigung der Fluggäste zur Folge hat und damit den planmäßigen Start eines Fluges verhindert. Welche Maßnahmen einem Luftverkehrsunternehmen zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer großen Verspätung eines Fluges führen oder Anlass zu einer Annullierung geben, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Nach Ansicht des BGH sind im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung lediglich solche Maßnahmen zu berücksichtigen, mit denen das ausführende Luftverkehrsunternehmen eine Annullierung oder Verspätung desjenigen Flugs (gemeint ist Teilflugs bzw. Flugsegments) hätte vermeiden können, der von dem außergewöhnliche Umstände begründenden Ereignis betroffen ist. Ob eine erheblich verspätete Ankunft eines auf diesen Flug sowie einen direkten Anschlussflug gebuchten Fluggastes an seinem Endziel durch eine Umbuchung auf einen anderen (Anschluss-)Flug verhindert werden kann, soll nach Ansicht des Senats nur im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 lit. c Fluggastrechteverordnung von Bedeutung sein. Zumindest der letzte Leitsatz (c) ist vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des EuGH wohl kritisch zu hinterfragen, da der EuGH eine einheitlich gebuchte, mehrgliedrige Flugverbindung inzwischen als "einen" Flug betrachtet. Konsequenterweise sollten daher m.E. – anders als vom BGH angenommen – auch bei der Prüfung von Art. 5 Abs. 3 solche zumutbaren Vermeidungsmaßnahmen berücksichtigt werden, die sich auf die Verspätung am Endziel auswirken (z.B. Umbuchung auf einen anderen Anschlussflug oder möglicherweise sogar Durchführung eines zusätzlichen Fluges).