StVG § 25; StVO § 23 Abs. 1a
Leitsatz
Der Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO steht wegen seiner regelmäßig durch Blick-Abwendung bedingten gravierenden Beeinträchtigung der Fahrleistung bei gleichzeitig massiver Steigerung des Gefährdungspotentials für Leib und Leben Dritter wertungsmäßig anderen typischen Massenverstößen wie Geschwindigkeitsüberschreitungen und Abstandsunterschreitungen auch dann gleich, wenn die Voraussetzungen eines Regelfahrverbots nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BKatV i.V.m. lfd. Nrn. 246.2 und 246.3 BKat nicht gegeben sind. Bei Vorliegen entsprechender Vorahndungen wird deshalb die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines (unbenannten) beharrlichen Pflichtenverstoßes vielfach naheliegen. Dies gilt erst recht, wenn der Betr. bereits wegen eines Verstoßes nach § 23 Abs. 1a StVO einschlägig vorgeahndet ist (Festhaltung an BayObLG, Beschl. v. 22.3.2019 – 202 ObOWi 96/19, zfs 2019, 588).
BayObLG München, Beschl. v. 29.10.2019 – 202 ObOWi 1997/19
Sachverhalt
Das AG hat die Betr. wegen einer als Führerin eines Pkw begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit der vorsätzlichen verbotenen Nutzung eines elektronischen Geräts (hier: Mobiltelefon bzw. “Handy') gem. § 23 Abs. 1a StVO zu einer Geldbuße von 400 EUR verurteilt; von der Anordnung eines im Bußgeldbescheid ebenfalls vorgesehenen einmonatigen Fahrverbots hat es abgesehen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde beanstandet die Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge insb., dass das AG von der Anordnung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes abgesehen hat. Das BayObLG hat auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das Urteil des AG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
"… II. Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde, die ausweislich der Rechtsmittelrechtfertigung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist, erweist sich als erfolgreich, weil die Begründung, mit der das AG von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält."
1. Zwar sind die Voraussetzungen eines (benannten) Regelfalls nach § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV nicht erfüllt, weshalb die Anordnungsvoraussetzungen für ein bußgeldrechtliches Fahrverbot, wovon das AG im Ansatz zutreffend ausgeht, nur bei Annahme eines beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 1 2. Alt. StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV bejaht werden konnten.
2. Allerdings hält die Begründung, mit welcher das AG unbeschadet der Darstellung und Erörterung der Vorahndungslage der Betr. einen derartigen beharrlichen Pflichtenverstoß mit stellenweise widersprüchlicher Begründung “im Ergebnis' gleichwohl verneint hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand (zu den Maßstäben für die Wertung eines Pflichtenverstoßes als “beharrlich' vgl. zuletzt nur BayObLG, Beschl. v. 22.3.2019 – 202 ObOWi 96/19 = zfs 2019, 588, und BayObLG, Beschl. v. 17.7.2019 – 202 ObOWi 1065/19).
a) Insb. ist nicht nachvollziehbar, wie das AG selbst bei Ausblendung der seit dem 18.1.2017 rechtskräftigen Vorahndung wegen einer am 19.11.2016 begangenen innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 24 km/h aufgrund dreier weiterer und erst seit dem 3.3.2018, 24.3.2018 sowie 18.9.2018 rechtskräftigen und mit Bußgeldern über 100 EUR, 80 EUR und 160 EUR geahndeten Geschwindigkeitsüberschreitungen vom 20.11.2017, 13.1.2018 und 5.6.2018 und dazu einer weiteren, erst seit dem 11.7.2018 rechtskräftigen einschlägigen Vorahndung der Betr. wegen verbotener Nutzung eines elektronischen Geräts (Tatzeit: 4.6.2018) zu einer (erhöhten) Geldbuße über 200 EUR zu der abschließenden Wertung gelangt ist, dass “gerade noch nicht von einer Beharrlichkeit auszugehen' sei, “wobei man sich im Grenzbereich hierzu' bewege. Denn schon aufgrund der zeitlichen Abfolge der vier jeweils noch verwertbaren und allesamt erst im Jahre 2018 rechtskräftig gewordenen Vorahndungen ist mehr als hinreichend belegt, dass die Betr. mit der verfahrensgegenständlichen Ordnungswidrigkeit wiederholt und zeitnah verkehrsrechtliche Vorahndungen missachtet hat, die verdeutlichen, dass es ihr subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt, so dass es nunmehr der Anordnung eins Fahrverbots als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme bedarf, um auf die Betr. nachhaltig einzuwirken.
b) Die knappen und kaum aussagekräftigen Zumessungsgründe (“Durchschnittsfall') lassen überdies besorgen, dass der Tatrichter – und mit ihm die rechtsmittelführende Staatsanwaltschaft selbst (“eher leichterer Rechtsverstoß') – verkannt haben könnte, dass auch der nur zufällig folgenlos gebliebene Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO allein wegen seiner durch Blick-Abwendung bedingten gravierenden Beeinträchtigung der Fahrleistung bei gleichzeitig massiver Steigerung des Gefährdungspotentials für Leib und Leben Dritter wertungsmäßig in einer Reihe mit anderen typischen Massenverstößen wie Geschwindigkeitsüberschreitungen und Unterschreitungen des Min...