ZPO § 233 § 236 Abs. 2 S. 2 § 520 Abs. 2 S. 2
Leitsatz
1) Von einem Prozessbevollmächtigten ist die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht verschuldet, wenn er entweder aus objektiven Gründen an der Einhaltung der Frist verhindert war oder auf eine Verlängerung der Frist vertrauen durfte.
2) Der Rechtsmittelführer darf auf die positive Bescheidung des Erstantrages auf die Fristverlängerung dann vertrauen, wenn er erhebliche Gründe für die beantragte Verlängerung darlegt oder der Gegner der Verlängerung zustimmt.
3) Bei dem Vorliegen des dritten Verlängerungsantrages genügt die Zustimmung des Gegners nicht zur Bewilligung der Verlängerung. Die Notwendigkeit des zügigen Betreibens und des Abschlusses des Verfahrens rechtfertigt eine Stattgabe des Verlängerungsantrages nur dann, wenn schwerwiegende Gründe wie eine Krankheit des Bevollmächtigten oder kurz vor dem Abschluss stehende Vergleichsverhandlungen vorliegen.
Gegen ein schützenswertes Vertrauen des Bevollmächtigten in die Erfolgsaussicht des dritten Verlängerungsantrages spricht es auch, wenn der Vorsitzende bei der Stattgabe des zweiten Verlängerungsantrages darauf hingewiesen hat, dass eine weitere Verlängerung nicht in Betracht komme.
(Leitsätze der Schriftleitung)
Thüringer OLG, Beschl. v. 29.1.2020 – 4 U 880/19
Sachverhalt
Der Kl. macht Schadensersatzansprüche gegen den Hersteller eines gekauften Pkw geltend. Die Klage wurde von dem LG abgewiesen. Das Urt. wurde dem Prozessbevollmächtigten des Kl. am 20.7.2018 zugestellt. Am 20.8.2018 legte der Prozessbevollmächtigte des Kl. für diesen Berufung ein und beantragte die Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 28.10.2018. Zur Begründung führte er seine Auslastung mit einer Vielzahl von Angelegenheiten an, benen eine weitere Verlängerung nicht möglich sei. Der Vorsitzende des zuständigen Zivilsenates verlängerte die Begründungsfrist bis zum 30.10.2018 und wies darauf hin, dass eine weitere Verlängerung nur mit der Zustimmung des Gegners zu erwarten sei. Am 28.10.2018 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Kl. eine weitere Verlängerung der Begründungsfrist, diesmal für zwei Monate bis zum 27.12.2018. Erneut verwies er auf seine Auslastung mit einer Vielzahl anderer Angelegenheiten und versicherte die Zustimmung des Bekl. zu der Fristverlängerung. Der Vorsitzende entsprach dem Gesuch und wies darauf hin, dass eine "weitere Verlängerung nicht zu erwarten" sei.
Mit einem Schriftsatz, der am 23.12.2018 um 15, 53 Uhr einging, beantragte der Kl. eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.1.2018. Zur Begründung wies er auf seine fortbestehende Belastung hin und fügte die schriftliche Zustimmung des Gegners zu der Fristverlängerung bei.
Der Vorsitzende des zuständigen Zivilsenates wies am 30.12.2019 das Fristverlängerungsgesuch zurück. Die Abschrift dieser Verfügung wurde dem Prozessbevollmächtigten des Kl. am 6.1.2020 zugestellt. Mit Schriftsatz von diesem Tage, der bei dem Senat am 6.1.2020 einging, begründete der Prozessbevollmächtigte auf 40 Seiten die Berufung. Der Vorsitzende des Senats wies die Prozessbevollmächtigten des Kl. darauf hin, dass der Senat wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beabsichtige, die Berufung nach § 522 ZPO zu verwerfen.
Die Prozessbevollmächtigten des Kl. haben innerhalb der ihnen nachgelassenen Frist zur Stellungnahme ausgeführt, dass sie die Verwerfung der Berufung für unzulässig halten, weil ihrem dritten Fristgverlängerungsgesuch hätte stattgegeben werden müsse. Das ergebe sich schon daraus, dass der Bekl. dem dritten Fristverlängerungsgesuch zugestimmt habe und die Bevollmächtigten des Kl. auf den die Fristverlängerung ablehnenden Hinweis umgehend reagiert hätten. Der Senat verwarf die Berufung des Kl.
2 Aus den Gründen:
"1. Die Berufung ist unzulässig, weil sie nicht rechtzeitig begründet wurde."
Gem. § 520 ZPO muss die Berufung innerhalb bestimmter Frist begründet werden. Die Frist beträgt grundsätzlich zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Gemäß § 520 Abs. 2 S. 2 ZPO kann sie auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Nach Satz 3 der Vorschrift kann die Frist auch ohne Einwilligung um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
Im vorliegenden Fall wurde die Berufungsbegründungsfrist zunächst in Anwendung des § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO um einen Monat, nämlich bis zum 28.10.2019, verlängert. Sodann wurde die Frist mit Einwilligung des Gegners nochmals, diesmal sogar um zwei Monate, verlängert bis 30.12.2019. Innerhalb dieser verlängerten Berufungsbegründungsfrist ist eine Berufungsbegründung beim Thüringer OLG nicht eingegangen. Vielmehr ging sie erst am 6.1.2020 ein.
2. Dem Kl. ist nicht von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß §§ 233 S. 1, 236 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 ZPO zu gewähren. Dies...