Mit Urt. v. 14.9.2020 kam auch das AG Köln[10] zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Klägerin hatte im Januar 2020 eine Flugpauschalreise nach Japan für April 2020 gebucht. Anfang März 2020 wollte sich die Klägerin vom Reisevertrag lösen – wegen der Infektionslage in Japan. Sie begehrte vom Reiseveranstalter die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung. Dieser machte jedoch die Stornopauschale geltend und berief sich unter anderem darauf, dass bereits im Buchungszeitpunkt der Reise Infektionen in Asien bekannt gewesen seien. Das AG Köln legt die begrifflich weit gefasste Erklärung der klagenden Reisenden als Rücktritt im Sinne des § 651h BGB aus. Wie auch das AG Frankfurt a.M. führt das AG Köln aus, dass es auf den Kenntnisstand im Zeitpunkt der Ausübung des Rücktrittsrechts ankommt. Zu den Details der Prognoseentscheidung greift das AG Köln zurück auf die Rechtsprechung zum alten Reiserecht. In seinem Urt. v. 15.10.2002[11] urteilte der BGH, dass ein Kündigungsrecht wegen höherer Gewalt (nach jetzigem Recht: Rücktritt infolge außergewöhnlicher Umstände) auch dann besteht, wenn mit dem Eintritt eines schädigenden Ereignisses mit erheblicher, und nicht erst mit überwiegender, Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist. Dabei ließ der BGH eine meteorologische Prognose von 25 % für den Eintritt eines Hurrikans ausreichen. Die Kriterien der Hurrikan-Entscheidung sind nach Ansicht des AG Köln unter anderem auch auf die Gefährdung durch Krankheitsepidemien zu übertragen und auch unter Geltung des jetzigen Rechts anzuwenden. So sind an die Darlegung und den Nachweis der konkreten Umstände im Reisegebiet zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Auch reine Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes können bereits ausreichend sein.[12] Gerade wenn mit den bevorstehenden Gefahren die realistische Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung einhergeht, die zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bis zum Tode führen kann, dürfen bei einer sich schnell verbreitenden Infektionsrate die Voraussetzungen nicht zu hoch angesetzt werden. Dies gilt vor allem, wenn am Bestimmungsort ein deutlich höheres Infektionsrisiko besteht als am Wohnort.[13] Dem Rückzahlungsanspruch steht nach Ansicht des AG Köln auch nicht entgegen, dass das Virus bereits im Moment der Buchung Anfang Januar 2020 in Asien auftrat. Zu diesem Zeitpunkt war das mögliche Ausmaß der Pandemie noch völlig unbekannt.

[10] AG Köln, Urt. v. 14.9.2020 – 133 C 213/20, BeckRS 2020, 23502.
[11] BGH, Urt. v. 15.10.2002 – X ZR 147/01, DAR 2003, 116 = JA 2003, 355 (m. Anm. Haberstumpf/Kellermann) = MDR 2003, 377 = NJW 2002, 3700 = TranspR 2002, 465.
[12] Vgl. AG Augsburg, Urt. v. 7.7.2016 – 15 C 89/16, DAR 2017, 321 (m. Anm. Leschau) = NJW-RR 2017, 118.
[13] Bereits zu SARS 1: AG Augsburg, Urt. v. 9.11.2004 – 14 C 4608/03, BeckRS 2004, 16212 = RRa 2005, 84; Harke, in: BeckOGK-BGB, § 651h Rn 46 (Stand: 1.8.2020).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?