Gerade in Krisenzeiten ist der Pauschalreisende in vielen Fällen deutlich besser gestellt als der Individualreisende. Zugunsten des Reisenden sind insbesondere im Reisevertragsrecht der §§ 651a bis 651y BGB (n.F.) zahlreiche Schutznormen verankert.
I. Verkehrssicherungspflichten im Hotel
Schon im Vorjahresaufsatz wurde das zu Beginn des Jahres verkündete Urteil des BGH v. 14.1.2020 erläutert, wonach dem auf einer regennassen Rollstuhlrampe vor dem Hoteleingang gestürzten und dabei verletzten Reisenden trotz ggf. vorhandener Warnschilder Ansprüche gegen den Veranstalter wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zustehen können, wenn die Rollstuhlrampe nicht den örtlichen Bauvorschriften entsprach.
II. Rücktritt vor Reisebeginn
Zwar kann der Reisende vor Reisebeginn jederzeit vom (Pauschal-)Reisevertrag zurücktreten, jedoch kann der Reiseveranstalter dann grundsätzlich eine angemessene Entschädigung verlangen (§ 651h Abs. 1 BGB). Üblicherweise sind in den Reisebedingungen der Veranstalter Entschädigungspauschalen in Form von Stornostaffeln geregelt (vgl. § 651h Abs. 2 BGB). Der Reiseveranstalter kann jedoch dann keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären (§ 651h Abs. 3 BGB).
Da die meisten betroffenen Reisenden sich – insbesondere zu Beginn der Pandemie – von den in vielen Fällen lange vor der Krise gebuchten Pauschalreisen möglichst entschädigungslos lösen wollten, die Veranstalter aber oft eine sichere Durchführbarkeit der Reisen behaupteten (und daher die Rücktrittsentschädigung geltend machten), kam es im Berichtszeitraum häufig zum Streit über die Zahlung der Entschädigung an den Veranstalter bzw. Rückzahlung des Reisepreises an den Reisenden. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die Auslegung des § 651h Abs. 3 BGB im Jahr 2020 zu einer der umstrittensten reiserechtlichen Probleme überhaupt. Letztlich erging dazu eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen.
1. AG Frankfurt a.M. (11.8.2020)
Bereits mit Urt. v. 11.8.2020 entschied das AG Frankfurt a.M., dass keine allzu strengen Anforderungen an das Vorliegen der unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umständen zu stellen seien. Der dortige Kläger hatte im Mai 2019 eine Flugreise nach Neapel (Flug und Hotel) für April 2020 gebucht. Unter dem Eindruck der dramatischen Entwicklung in Italien stornierte der Kläger Anfang März 2020 und begehrte die Rückzahlung des geleisteten Reisepreises. Dazu führt das AG Frankfurt zutreffend aus, dass auf den Zeitpunkt des Rücktritts abzustellen ist. Es handelt sich bei der Beurteilung der außergewöhnlichen Umstände um eine Prognoseentscheidung, für die es auf eine ex-ante-Betrachtung ankommt. Nicht zwingend erforderlich sind eine bereits vorliegende Reisewarnung für das Reisegebiet oder ein erfolgter Ausbruch am Zielort. Es genügt bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung.
2. AG Köln (14.9.2020)
Mit Urt. v. 14.9.2020 kam auch das AG Köln zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Klägerin hatte im Januar 2020 eine Flugpauschalreise nach Japan für April 2020 gebucht. Anfang März 2020 wollte sich die Klägerin vom Reisevertrag lösen – wegen der Infektionslage in Japan. Sie begehrte vom Reiseveranst...