StVZO § 19 § 69a
Leitsatz
Für die Inbetriebnahme eines zulassungsfreien Fahrzeugs im Sinne von §§ 19 Abs. 5 Satz 1, 69a Abs. 2 Nr. 1a StVZO genügt weder die Anbringung eines Versicherungskennzeichens noch das Abstellen in betriebsbereitem Zustand auf Privatgelände.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.1.2021 – 1 OWi 2 SsRs 175/20
Sachverhalt
Das AG hat den Betr. wegen "vorsätzlicher Inbetriebnahme eines Fahrzeugs, obwohl die Betriebserlaubnis erloschen war, die Verkehrssicherheit war hierdurch wesentlich beeinträchtigt" zu einer Geldbuße von 135 EUR verurteilt, ohne eine vorhandene Voreintragung im Fahreignungsregister bußgelderhöhend zu berücksichtigen. Das AG hat folgenden Sachverhalt festgestellt: "Der Betroffene war am 27.8.2019, und davor, Eigentümer eines Kleinkraftrades, Roller, Peugeot Speedfight 2, Versicherungskennzeichen (…). Zum genannten Tattag befand sich das Fahrzeug im Hof des Anwesens (…). Das Hoftor war geöffnet. Die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs war wesentlich beeinträchtigt. Das Fahrzeugheck wurde nachträglich höher gelegt, wodurch die Betriebserlaubnis des Fahrzeuges erloschen war." Zur rechtlichen Würdigung hat das AG ausgeführt: "Er hat sein Fahrzeug ca. eine Woche nach dem Erwerb zugelassen und somit in Betrieb genommen, obwohl die Höherlegung nicht eingetragen war. (…) Aufgrund der Tatsache, dass das Fahrzeug betriebsbereit und zugelassen im Hof des Anwesens stand, das der Betroffene zum Tatzeitpunkt auch bewohnt hat, liegt auch die Tatbestandsvoraussetzung der Inbetriebnahme vor. (…) Es handelt sich um eine lebensfremde Schutzbehauptung des Betroffenen, der behauptet, das Fahrzeug habe 2 oder 3 Wochen unbenutzt im Hof gestanden." Gegen diese Verurteilung wendet sich der Betr. mit seiner Rechtsbeschwerde. Das OLG Zweibrücken hat auf die Rechtsbeschwerde des Betr. das Urteil des AG aufgehoben und den Betr. freigesprochen.
2 Aus den Gründen:
"… III. Das angefochtene Urteil unterliegt auf die als Sachrüge zu verstehenden Ausführungen der Rechtsbeschwerde hin der Aufhebung. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht."
1. Das AG hat in dem festgestellten Verhalten einen vorsätzlichen Verstoß gegen §§ 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, Abs. 5, 69 a StVZO, § 24 StVG gesehen. Durch diese Normen wird eine Ordnungswidrigkeit beschrieben, die – vorsätzlich oder fahrlässig – dadurch begangen wird, dass ein Fahrzeug auf öffentlichen Straßen in Betrieb genommen wird (§ 69a Abs. 2 Nr. 1a i.V.m. § 19 Abs. 5 StVZO), dessen Betriebserlaubnis erloschen ist (§ 19 Abs. 2 StVZO), weil Veränderungen an ihm vorgenommen wurden, durch die eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist. Das AG hat bereits die “Zulassung' des Rollers als Inbetriebnahme angesehen. Leichtkrafträder wie der verfahrensgegenständliche Motorroller bedürfen indes nicht der Zulassung, § 16 Abs. 1 StVZO, § 3 Abs. 2 Nr. 1c FZV. Zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr brauchen sie lediglich eine Haftpflichtversicherung, die durch ein Versicherungskennzeichen nachgewiesen wird. In welcher Handlung das AG die “Zulassung' und damit nach seiner Ansicht die “Inbetriebnahme' sieht, bleibt insofern offen. Entscheidend ist jedoch, dass der Begriff der “Inbetriebnahme' sowohl in § 69a Abs. 2 Nr. 1a StVZO als auch in § 19 Abs. 5 S. 1 StVZO, die aufeinander bezogen sind, verwendet wird und deshalb enger zu verstehen ist, als das AG meint. Eine allgemeine Definition des Begriffes ist zwar nach der Kommentarliteratur nicht möglich, vielmehr sei danach der Begriff jeweils im Sinnzusammenhang mit dem Verstoß auszulegen, auf den § 69a StVZO verweist (vgl. Bachmeier/Müller/Rebler, Verkehrsrecht, 3. Aufl. 2017, § 69a StVZO Rn 3; BeckOK StVR/Semrau, 9. Ed. 1.10.2020, StVZO § 69a Rn 4 f.; Krumm, in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2017, § 69a StVZO Rn 3). In der Rspr. des BGH wird der Begriff nicht abschließend definiert. Jedoch setzt der BGH dabei – im Zusammenhang mit einer unzureichenden Bereifung eines Fahrzeugs – jedenfalls ein Bewegen des betroffenen Fahrzeugs voraus, wenn er unter den Begriff der Inbetriebnahme nicht nur das Ingangsetzen des Fahrzeugs zum Zwecke der Teilnahme am Straßenverkehr subsumiert, sondern auch dessen weitere Fortbewegung im Verkehr (BGHSt 25, 338; BGHSt 27, 66). Zu dem in dieser Hinsicht vergleichbaren Begriff des Inbetriebnehmens im Rahmen des § 69a Abs. 3 OWiG hat das BayObLG entschieden, dass selbst ein im öffentlichen Verkehrsraum abgestelltes Fahrzeug, das nicht technisch in Gang gesetzt ist, auch bei weitester Auslegung nicht in Betrieb genommen ist (vgl. BayObLGSt 1981, 129). Aus § 19 Abs. 5 S. 1 StVZO, auf den § 69a Abs. 2 Nr. 1a StVZO verweist, ergibt sich ebenfalls, dass die Inbetriebnahme einen unmittelbaren Bezug zur Teilnahme am Straßenverkehr aufweisen muss, denn dort ist von der Inbetriebnahme “auf öffentlichen Straßen' die Rede.
2. Da im Bußgeldrecht, ebenso wie im Strafrecht der Bestimmtheitsgrundsatz und das Analogieverbot gelten (§ 3 OWiG i.V.m. Art. 103 Abs. 2 GG; hier: nulla poena sine lex certa et stricta, vgl. OL...