"… Die zulässige Berufung des Kl. hat keinen Erfolg. Nach der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass der Reifen am Fahrzeug des Kl. am 11.11.2017 nicht durch das Eindringen eines Fremdkörpers geplatzt ist, sondern aufgrund eines vorher durch einen Montagefehler entstandenen Reifenschadens. Daher liegen die Voraussetzungen für einen Vollkasko-Versicherungsschutz nicht vor."
1. Für den Umfang des Vollkasko-Versicherungsschutzes ist die Regelung in Ziff. A.2.3 der AKB 2014 maßgeblich.
Entscheidend ist der Begriff des Unfalls. Für diesen Begriff ist von den Grundsätzen in der Leitentscheidung des BGH v. 6.2.1954 (NJW 1954, 596) auszugehen.
a) Wenn ein Reifen während der Fahrt durch einen eingedrungenen Fremdkörper platzt, handelt es sich um ein von außen mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis (…). Dabei kann dahinstehen, ob der Fremdkörper (ein spitzer Stein oder beispielsweise ein Nagel) auf der Fahrbahn liegt und vom Fahrzeug überfahren wird, oder ob sich schon vorher ein Fremdkörper im Reifen befindet, der während der Fahrt tiefer in den Reifen eindringt, so dass erst dadurch ein plötzlicher Druckverlust – oder ein Reifenplatzen – erfolgt (…). In jedem Fall handelt es sich um eine Einwirkung von außen, die unmittelbar und plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkt (…).
b) Der von den Parteien und vom LG erörterte Begriff des “Betriebsschadens' spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Während in älteren Versicherungsbedingungen teilweise der Begriff des “Betriebsschadens' verwendet wird, findet sich in den vorliegenden Bedingungen lediglich die Formulierung, dass ein “Brems- oder Betriebsvorgang oder reine Bruchschäden' sowie Schäden “durch Abnutzung' oder durch “Überbeanspruchung des Fahrzeugs' “nicht als Unfallschäden gelten' sollen. Bei diesen Formulierungen in den Versicherungsbedingungen der Beklagten handelt es sich nicht um Ausschlussklauseln, sondern um den Versuch einer Erläuterung des Begriffs “Unfall'. Die Formulierungen ändern nichts daran, dass der in der Rspr. des BGH geklärte Begriff des “Unfalls' entscheidend bleibt. Die zitierten Erläuterungen in Ziff. A.2.3.2 der Versicherungsbedingungen der Bekl. haben lediglich eine deklaratorische Bedeutung und bedürfen keiner gesonderten Prüfung, wenn ein Unfall i.S.d. Versicherungsbedingungen vorliegt (vgl. zum deklaratorischen Charakter der Formulierungen Prölss/Martin/Klimke, 30. Aufl. 2018, A.2.2.2 AKB 2015 Rn 16; Koch in Bruck/Möller, VVG, Band 12, 9. Aufl. 2018, A.2 AKB 2015 Rn 268, Rn 300). Der in früheren Versicherungsbedingungen gebräuchliche Begriff des “Betriebsschadens' und der in den vorliegenden Bedingungen verwendete Begriff von “Betriebsvorgängen' führt mithin nicht zu einer Einschränkung des Unfallbegriffs. Die in den Vollkasko-Versicherungsbedingungen üblichen Erläuterungen des “Unfalls' ändern daher nichts daran, dass ein Schaden, der dadurch entsteht, dass ein auf der Fahrbahn liegender Fremdkörper in den Reifen eindringt, als Unfall i.S.d. Vollkasko-Versicherungsbedingungen anzusehen ist (unzutreffend daher OLG Hamm, BeckRS 1989, 07823). Würde man dem Begriff des “Betriebsvorgangs' hingegen eine selbstständige – den Unfallbegriff einschränkende – Bedeutung beimessen, wäre eine solche Einschränkung wegen Intransparenz gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam (vgl. die zutreffenden Erwägungen in LG Stuttgart, NJW-RR 2012, 1500; Prölss/Martin/Klimke, a.a.O., A.2.2.2 AKB 2015 Rn 16).
c) Teilweise ist in der Rspr die Auffassung vertreten worden, ein in der Vollkasko-Versicherung erfasstes Unfallereignis liege nicht vor, wenn sich lediglich ein beim Betrieb des Fahrzeuges übliches und vorhersehbares Risiko verwirklicht habe (Dies wird – anders als im vorliegenden Fall – in neueren Versicherungsbedingungen teilweise durch eine ausdrückliche Regelung klargestellt, vgl.A.2.2.2.2 Abs. 3 der AKB 2015). Damit sollten spezielle Risiken vor allem bei der Verwendung von Fahrzeugen im gewerblichen Bereich berücksichtigt werden (insbesondere von Baustellenfahrzeugen), deren Kosten vom VN beim Betrieb des Fahrzeugs ohnehin einkalkuliert werden (…). Ob und inwieweit eine solche Einschränkung oder Klarstellung den Versicherungsbedingungen im vorliegenden Fall zu entnehmen ist, kann dahinstehen. Denn das Überfahren eines Fremdkörpers auf der Autobahn mit der Konsequenz eines Reifenschadens ist – auch bei einem kleinen Gegenstand – kein vorhersehbares Risiko, dass der VN beim Betrieb des Fahrzeugs generell in Kauf nehmen will.
d) Hingegen liegt kein versichertes Unfallereignis vor, wenn ein schon vor Fahrtantritt bestehender Reifenschaden die alleinige Ursache dafür ist, dass der Reifen bei einer normalen Fahrt auf der Autobahn plötzlich platzt. Denn in einem solchen Fall beruht der Schaden nicht auf einem Ereignis, welches unmittelbar von außen mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkt, sondern allein auf einer “inneren' Ursache durch ein schadhaftes Fahrzeugteil. Mithin kommt es für...