"…"
[14] B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
[15] I. Das LG hat zu Recht einen Anspruch der Kl. verneint, weil der VN der Bekl. die Kollision herbeigeführt hat, um sich zu töten.
[16] 1. Nach § 103 VVG haftet der VR nicht, wenn der VN vorsätzlich den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, widerrechtlich herbeigeführt hat. Bei dieser Vorschrift handelt es sich nicht um eine Obliegenheitsverletzung, die den VR nachträglich von seiner Verpflichtung zur Leistung befreit, sondern um einen subjektiven Risikoausschluss. Die hierdurch begründete Haftungsbegrenzung wirkt auch gegenüber dem geschädigten Dritten (vgl. BGH VersR 1971, 239). Vorsatz – auch i.S.d. § 103 VVG – bedeutet das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs; der Handelnde muss also den rechtswidrigen Erfolg seines Verhaltens voraussehen und trotzdem den Willen haben, sich entsprechend zu verhalten; zum Vorsatz gehört auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Tat; bedingter Vorsatz genügt. In Abweichung vom allgemeinen Deliktsrecht muss aber der Vorsatz, wenn er zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führen soll, auch die Schadensfolgen umfassen, wie aus der Fassung des nunmehrigen § 103 VVG ausdrücklich hervorgeht, ohne dass hierdurch eine Abweichung von der früheren Rechtslage (§ 152 VVG) bewirkt werden sollte, vgl. OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 13.1.1977 – 1 U 63/76, BeckRS 1977, 01624).
[17] Der VN, der in Selbsttötungsabsicht einem mit hoher Geschwindigkeit herannahenden ICE-Zug entgegengeht, um sich von diesem überfahren zu lassen, handelt hinsichtlich der Schäden an dem Zug und der daraus resultierenden Folgeschäden vorsätzlich, wenn er trotz seiner psychischen Ausnahmesituation nach seinem Bildungsstand und seinen Kenntnissen von den Folgen eines derartigen Selbstmordes damit rechnen musste, dass solche Schadensfolgen zwangsläufig eintreten, vgl. OLG München r+s 2000, 58. Nichts anderes kann gelten, wenn sich, wovon der Senat vorliegend überzeugt ist, der VN in einem Pkw einem mit hoher Geschwindigkeit herannahenden ICE-Zug entgegenstellt. Steht die Selbstmordabsicht des VN der Bekl. fest, so hat er beim Umfahren der Schranke auch vorsätzlich i.S.d. § 103 VVG gehandelt.
[18] Von einer generell eingeschränkten Verantwortlichkeit eines Selbstmörders kann nicht ausgegangen werden. Dass der Gesetzgeber selbst nicht den Standpunkt teilt, nach dem ein Selbstmörder stets aus einer krankhaften Veranlagung heraus handele und deshalb mangels der Möglichkeit freier Willensbestimmung nicht vorsatzlich handeln könne, ergibt sich schon aus § 1611 VVG.
Diese Bestimmung geht gerade von der freien Entscheidungsmöglichkeit des Selbstmörders als dem Normalfall aus und lässt den Versicherungsschutz bei der Lebensversicherung im Falle des Selbstmordes des Versicherten nur dann bestehen, wenn dieser in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gehandelt hat. Eine Suchterkrankung schließt nicht schon die Möglichkeit freier Willensbestimmung aus, solange der von Motiven gelenkte Wille noch Einfluss auf die Entscheidung des VN hat und sie insoweit verständlich macht (vgl. OLG Frankfurt a.M., VersR 1962, 821). Für die Unzurechnungsfähigkeit des VN trifft die Kl. die Beweislast. Anwendbar ist § 827 BGB und zwar auch im Rahmen von § 103 VVG (BGBZ 111, 372 = NJW 1990, 2387 = NJW-RR 1990, 1308 Ls.). Unzurechnungsfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift ist nur dann gegeben, wenn sich der VN in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit zur Tatzeit befunden hat. Insbesondere deutet ein Selbstmord als solcher nicht auf einen solchen Zustand hin; es gibt zahlreiche Selbstmorde in Geschichte und Gegenwart, die nicht auf einer solchen Geistesstörung beruhen.
[19] Eine Schuldunfähigkeit des Herrn P. hat die Klagepartei vorliegend nicht behauptet.
[20] 2. Der Senat ist aufgrund der in zweiter Instanz durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme der Überzeugung, dass Herr P. in Erwartung des herannahenden Zuges um die geschlossene Halbschranke fuhr und seinen Pkw auf den Gleisen zum Stehen brachte, um sich das Leben zu nehmen.
[21] Nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine – ohnehin nicht erreichbare – absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit (vgl. RGZ 15, 338 [339]; BGH NJW 1998, 2969 [2971]; BAGE 85, 140 = EuZW 1997, 540 = NJW 1997, 3114 Ls.; Senat NZV 2006, 261, st. Rspr., zuletzt etwa NJW 2011, 396 [397] und NJW-RR 2014, 601; KG NJW-RR 2010, 1113) und auch keine “an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit', sondern nur einen intersubjektiv vermittelten (vgl. § 286 Abs. 1 S...