Der Beschluss des BGH entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der die Aufhebung oder Abänderung einer vorangegangenen rechtskräftigen Kostenentscheidung in einer Kostenregelung eines Vergleichs dem Vergleichstext regelmäßig eindeutig entnommen werden muss. Enthält der Prozessvergleich keine entsprechende ausdrückliche Regelung der Parteien hinsichtlich der rechtskräftigen Kostenentscheidung, ist davon auszugehen, dass der Vergleich diese Kostenentscheidung eben nicht abändern oder gar aufheben wollte.
Im Fall des BGH hat dies zur Folge, dass es hinsichtlich der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens bei der Kostenentscheidung nach § 494a ZPO im Beschluss des LG vom 5.8.2019 und dem auf dieser Entscheidung fußenden Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.3.2020 verbleibt, wonach der Antragsteller an den Antragsgegner 6.663,30 EUR zu erstatten hat. Die Kostenregelung im Vergleich vom 12.2.2020, wonach der Antragsteller 9/10 und der Antragsgegner 1/10 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, erfasst dann nur noch die übrigen Kosten des Rechtsstreits.
Das Hauptaugenmerk der Prozessbevollmächtigten bei Vergleichsverhandlungen richtet sich oft darauf, für den Mandanten ein möglichst günstiges Ergebnis in der Hauptsache zu erzielen. Häufig wird auch heftig über die Kostenregelung gefochten. Bei so manchem Rechtsanwalt schwindet jedoch die Aufmerksamkeit, wenn es bei den Vergleichsverhandlungen um Nebenregelungen wie die Zahlungsmodalitäten oder die Kosten geht. Dabei zeigt auch der Fall des BGH hier, wie wichtig es ist, die Kostenregelungen in einem Vergleich auf die entsprechende Fallgestaltung abzustellen. Der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners hatte hier naturgemäß kein Interesse daran, die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens bei den Vergleichsverhandlungen auch nur anzusprechen. Denn zu seinen Gunsten war ja im selbstständigen Beweisverfahren der Kostenbeschluss vom 5.8.2019 ergangen, aufgrund dessen er den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.3.2020 erwirkt hatte.
Folglich hatte hier allein der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers ein Interesse daran, auch die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens in die Vergleichsverhandlungen mit einzubeziehen. Ob solche Verhandlungen überhaupt Aussicht auf Erfolg hätten, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Große Erfolgsaussichten hätten derartige Vergleichsverhandlungen im Fall des BGH wohl nicht, da der Antragsteller keine besonders gute Position hatte, was sich aus dem von ihm übernommenen Anteil von 9/10 der Kosten des Rechtsstreits folgern lässt.
Um jedoch überhaupt dazu zu kommen, in die Vergleichsverhandlungen die bereits rechtskräftig entschiedene Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens einzubeziehen, muss der Rechtsanwalt erst einmal das entsprechende Problembewusstsein haben und die Rechtsprechung des BGH kennen, wonach die Parteien in einem Prozessvergleich zwar eine vorher ergangene Kostenentscheidung, auch wenn sie rechtskräftig geworden ist, abändern können, dies sich jedoch eindeutig dem Wortlaut des Vergleichs entnehmen lassen muss. Ob bei einer abändernden Kostenregelung im Vergleich ein zuvor ergangener Kostenfestsetzungsbeschluss gegenstandslos wird, hat der BGH hier allerdings offengelassen. Deshalb empfiehlt sich auch insoweit eine ausdrückliche Vereinbarung der Vergleichsparteien. Da das Problem jedoch vielfach nicht bekannt ist, werden in der Praxis in den Vergleichsgesprächen häufig noch nicht einmal Ansätze gemacht, über die bereits rechtskräftig entschiedenen Kosten zu verhandeln. Hat eine Partei bei den Vergleichsverhandlungen eine starke Position, sollten derartige Verhandlungen zumindest versucht werden. Der Prozessbevollmächtigte der Partei, zu deren Gunsten die rechtskräftig gewordene Kostenentscheidung ergangen ist – das war hier der Antragsgegner – wird diese Kostenposition in den Vergleichsgesprächen natürlich nicht ansprechen.
Wenn die Parteien im Fall des BGH die Kostenentscheidung des LG in dem Beschl. v. 5.8.2019 vergleichsweise hätten abändern bzw. aufheben wollen, hätten sie etwa folgende Formulierung in den Vergleich aufnehmen müssen:
Zitat
Von den Kosten des Rechtsstreits, des vorangegangenen selbstständigen Beweisverfahrens – LG Kempten 21 OH 2005/15 – und dieses Vergleichs übernehmen der Antragsteller 9/10 und der Antragsgegner 1/10. Mit dieser Kostenregelung wird der Kostenbeschluss des LG Kempten vom 5.8.2019 abgeändert.
Der Antragsgegner nimmt seinem beim LG Kempten 21 OH 2005/15 gestellten Kostenfestsetzungsantrag von … zurück. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ein etwa auf diesem Kostenbeschluss noch erlassener Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Landgerichts gegenstandslos wird. Vorsorglich verzichtet der Antragsgegner auf die Rechte aus einem auf der Grundlage seines Kostenfestsetzungsantrags vom … ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss.
Mit einer solchen Vereinbarung hätten die Parteien des Rechtsstreits mit bindender Wirkung für das Kostenfest...