Die jetzt bekannt gewordene Entscheidung des LG Magdeburg zeigt, wie selbst spezialisierte Zivilkammern grundlegende Erkenntnisse des Versicherungsvertragsrechts völlig außer Acht lassen können und wie wichtig es daher in der anwaltlichen Beratung ist, frühzeitig (auch) die Rechtslage darzustellen.
Der Kaskoversicherungsvertrag der Parteien enthielt – wie inzwischen üblich – als beitragsbestimmendes Merkmal "nächtlicher Einstellplatz: Garage". Der Ehemann der VN hatte das Kraftfahrzeug – wie es auch regelmäßig vorkommt – vor der Garage abgestellt, was ihm des Öfteren unterlief. In der Nacht wurde es entwendet.
Das LG hält das – in auch der Diktion nach fragwürdiger Weise – für eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls durch eine vorgenommene Gefahrerhöhung und kürzt die Leistung um 30 %. Auf die Frage der Zurechnung des Verhaltens des Ehemanns der VN – er war möglicherweise, vielleicht auch nicht ihr Repräsentant – geht es nicht ein.
Die Anwendung der Vorschriften über die Gefahrerhöhung ist in jeder Hinsicht falsch. Eine Gefahrerhöhung läge nur vor, wenn sich das Risiko des Diebstahls – gegenüber dem bei Vertragsabschluss vorhandenen, das das LG gar nicht festgestellt hat – auf einem höheren Niveau der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts dauerhaft stabilisiert haben sollte. Eine Nacht des Parkens vor der Garage reicht dazu nicht aus.
Die Vorschriften über die Gefahrerhöhung greifen aber auch gar nicht ein, weil sie – unbestritten – durch die "weichen" Tarifierungsmerkmale und die für ihre Nichtbeachtung bestimmten Rechtsfolgen der Beitragsänderung und der Vertragsstrafenzahlung abbedungen werden (BeckOK-StVR/Rixecker, § 25 Abschnitt E II).
Bleibt die vom LG angedeutet Leistungskürzung nach § 81 Abs. 2 VVG. Auch sie wird zu Unrecht angenommen. Mehr als zweifelhaft ist schon, ob überhaupt von einem grob fahrlässigen Verhalten ausgegangen werden kann. Denn das Argument, es sei ja eine Art "Obliegenheit" vereinbart worden, das Kraftfahrzeug über Nacht in der Garage abzustellen, trägt nicht, weil die Tarifierungsmerkmale keine Obliegenheiten begründen, sondern der VR durch ihre gesonderte Regelung zu erkennen gibt, dass er eine Abweichung von ihnen gerade – wenn auch gegen Zahlung eines höheren Beitrags oder einer Vertragsstrafe – hinzunehmen bereit ist, und sich der VN gerade nicht "verpflichtet" hatte, regelmäßig eine Garagenabstellung zu gewährleisten. Im Übrigen müsste der VR nachweisen, dass der Diebstahl durch das Abstellen vor der Garage überhaupt verursacht worden ist. Die Erwägung, die Täter hätten dann den Aufbruch der Garage – möglicherweise – gescheut, genügt zum Beweis jedenfalls nicht.
Prof. Dr. Roland Rixecker
zfs 3/2022, S. 154 - 156