StPO § 147
Leitsatz
Es existiert weder ein Recht noch eine Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, die sich bei den Akten befindlichen Datenträger bzw. die darauf befindlichen Daten durch eine Umformatierung abzuändern.
AG Meppen, Beschl. v. 5.11.2021 – 10 OWi 260/21
Sachverhalt
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung begehrte die Betroffene eine über das bisherige Maß hinausgehende Akteneinsicht durch die Verwaltungsbehörde.
Der Verteidiger hat im Rahmen der Akteneinsicht begehrt, die Gebrauchsanweisung, die Messreihe, insbesondere die Vorlage einer Kopie der digitalen Falldatei im herstellerspezifischen sbf-Format mit dem zugehörigen öffentlichen Schlüssel und einen Phasenplan der Ampel herauszugeben. Die Verwaltungsbehörde stellte dem Verteidiger auf einer DVD die Dateien im sbf-Format, eine im pf-Format zur Verfügung. Der Verteidiger begehrte daraufhin die Übersendung der Auslesedateien, hilfsweise ausgelesene/entschlüsselte Dateien. Die Übersendung der Software wurde unter Hinweis auf technische und lizenzrechtliche Gründe verwehrt. Das AG Meppen hat den Antrag auf Kosten der Betroffenen zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
[…] II. Einem Betroffenen eines Bußgeldverfahrens steht grundsätzlich ein umfassendes Akteneinsichtsrecht zu. Dabei erstreckt sich dieses Einsichtsrecht nicht nur auf sämtliche Unterlagen der Verwaltungsbehörde, die zu den Akten genommen worden sind, sondern auch auf alle sonstigen verfahrensbezogenen Vorgänge, die möglicherweise bedeutsam für das Verfahren sind und sich nicht bei den Akten befinden. Dazu gehören insbesondere auch Ton- und Bildaufnahme, die ggf. auf einen vom Verteidiger einzusendenden beschreibbaren Datenträger zu überspielen sind (AG Meppen, Beschl. v. 25.4.2020 – 10 Owi 19/20).
Dem Einsichtsrecht wird jedoch damit genüge getan, dass die Verwaltungsbehörde der Verteidigung eine Kopie des gesamten Originalmessfilms im sbt-Format zur Verfügung stellt. Der Betroffene wird dadurch nicht in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Das Akteneinsichtsrecht erstreckt sich nämlich auf den Zustand der Akten, in dem sich diese zum Zeitpunkt des Akteneinsichtsgesuchs befinden. Es existiert weder ein Recht noch eine Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, die sich bei den Akten befindlichen Datenträger bzw. die darauf befindlichen Daten durch eine Umformatierung abzuändern (vgl. AG Meppen a.a.O., AG Peine, Beschl. v. 13.3.2008 – 2 OWi 2/08). Folglich sind dem Verteidiger der Originalmessfilm bzw. die darin enthaltenen Bilddateien in der Form vorzulegen, in dem diese sich zum Zeitpunkt des Akteneinsichtsgesuchs befinden. Dies ist hier geschehen.
Dabei fällt es in die Risikosphäre des Verteidigers, ob er die ihm im Rahmen der Akteneinsicht zur Verfügung gestellten Daten mit eigenen Mitteln öffnen und einsehen kann. In einem solchen Fall ist es dem Verteidiger zuzumuten, sich entweder mit der verfahrensführenden Verwaltungsbehörde in Verbindung zu setzen und dort Einsicht in die Bilddateien zu nehmen oder Akteneinsicht bei einer Verwaltungsbehörde vor Ort zu nehmen. Darüber hinaus verbleibt ihm die Möglichkeit, sich mit einem privaten Sachverständigen, der über die entsprechenden technischen Mittel verfügt, in Verbindung zu setzen (vgl. AG Meppen, a.a.O.).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 62 Abs. 2 S. 2 OWiG in Verbindung mit § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.
IV. Der Beschluss ist gemäß § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG unanfechtbar.
3 Anmerkung:
Zur Ablehnung, die Auswertesoftware zur Verfügung zu stellen, vgl. AG Goslar, Beschl. v. 16.2.2021 – 26 OWi 39/21, juris; zum grundsätzlichen Kostenrisiko des Betroffenen für die Überprüfung der Messung vgl. KG NZV 2021, 379.
RAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 3/2022, S. 169 - 170