Die Entscheidung präzisiert die Rechtsprechung zur fiktiven Abrechnung in zwei wesentlichen Punkten:
1. a) Zum einen stellt sie erneut klar, dass die fiktive Abrechnung durchaus eine reale ist, nämlich in dem Sinne als sich die Kosten, die in diese Abrechnung einzustellen sind, genau an dem Aufwand zu orientieren haben, den der Geschädigte betreiben muss, um die zur Wiederherstellung des status quo ante erforderliche Reparatur oder Ersatzbeschaffung tatsächlich ausführen zu können. Im Falle eines Rechtsstreits kommt es dazu nicht auf den Zeitpunkt des Unfalls, sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz an (BGH v. 12.10.2021 – s.o. Rn. 13). Haben sich die Preise für Reparatur oder Ersatzbeschaffung inzwischen erhöht, muss der Schädiger und nicht der Geschädigte für den inzwischen vermehrten Aufwand aufkommen.
b) Diese Feststellung ist konsequent und folgt tradierten prozessualen Grundsätzen. Sie kann für Irritationen nur deswegen sorgen, weil sie es praktisch ermöglicht, dass ein Geschädigter, der sein Fahrzeug schon längst hat instand setzen lassen, von einer Preissteigerung für eine Maßnahme profitiert, die bereits erledigt ist. Aber das ist Folge der Fiktion, die allein danach fragt, was der objektiv erforderliche Wiederherstellungsaufwand ist, und die tatsächliche Verwendung des Fahrzeugs durch den Geschädigten außer Betracht lässt.
2. Die zweite Klarstellung dürfte für die Abrechnungspraxis noch bedeutsamer sein. Sie betrifft die Grenzen zwischen fiktiver und konkreter Abrechnung.
a) Wo liegt das Problem? Ausgangspunkt der Diskussionen ist § 249 Abs. 2 S. 2 BGB. Danach kann Ausgleich der Umsatzsteuer nur verlangt werden, "wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist." Im Falle einer fiktiven Abrechnung muss sie nicht gezahlt werden, im Falle einer konkreten Abrechnung wohl. Lässt der Geschädigte also reparieren und stützt seinen Anspruch auf eine Rechnung, die ausweist, dass er für die Reparatur Umsatzsteuer zahlen muss, so ist diese ersatzfähig. Rechnet er auf Gutachtenbasis ab, kann er nur die Netto-Reparaturkosten bzw. die Netto-Kosten einer Ersatzbeschaffung ersetzt verlangen.
So weit, so gut; Schwierigkeiten bereiteten in der Vergangenheit vor allem die Kreuzfälle, also der Fall, dass der Geschädigte Reparaturkosten fiktiv abrechnet, sich aber für eine Ersatzbeschaffung entschieden hat und nun überlegt, ob er die für die Ersatzbeschaffung verauslagte Umsatzsteuer zusätzlich ersetzt verlangen kann; oder der Fall, dass der Geschädigte fiktiv auf Ersatzbeschaffungsbasis abrechnet, den Wagen aber behalten hat und nun wissen will, ob er zusätzlich Anspruch auf die für die konkrete Instandsetzung verauslagte Steuer hat. Aber auch die Fälle der Teilreparatur und der Reparatur in Eigenregie gaben, was die Ersatzfähigkeit verauslagter Umsatzsteuer angeht, immer wieder Anlass zur Diskussion.
Einzelne Instanzgerichte (vgl. LG Saarbrücken v. 7.6.2019 – 13 S 50/19, juris Rn. 17 m.w.N.) und auch namhafte Autoren (s.u.a. Freymann in Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl. 2020, Kap. 5 Rn. 11 ff.; ders., DAR 2017, 607, 609; MüKo-BGB/Oetker, 5. Aufl., § 249 Rn. 428) hatten insoweit die Auffassung vertreten, dass der Geschädigte in diesen Fällen neben den prognostizierten Restitutionskosten verauslagte Umsatzsteuer jedenfalls bis zu der Höhe ersetzt verlangen könne, die bei einer Brutto-Abrechnung des Schadens entstanden wäre.
Die Auffassung stand allerdings schon lange in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der bereits 2005 erklärt hatte, dass eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung unzulässig sei (BGH v. 15.2.2005 – VI ZR 172, 04, juris Rn. 15; BGH v. 12.10.2021 – s.o. Rn. 18 m.w.N.). Immerhin hat der BGH dies immer nur für bestimmte Fallkonstellationen entschieden. Die Kritiker stützen sich darauf, dass der Wortlaut des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB für eine solche Einschränkung nichts hergebe und dass die Vorstellung des historischen Gesetzgebers offenbar eine andere gewesen sei. So wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich der Fall erwähnt, dass der Geschädigte eine Eigenreparatur zur Beseitigung des Schadens durchführt. In diesem Falle soll es ihm nicht versagt sein, die für den Kauf von Ersatzteilen oder die Inanspruchnahme von Fremdleistungen verauslagte Umsatzsteuer zu verlangen.
Dieser Kritik hat der BGH nunmehr ausdrücklich eine Absage erteilt. Er führt dafür nicht nur das Bereicherungsverbot (kein Rosinenpicken!), sondern auch systematische Gründe an. Es müsse den unterschiedlichen Grundlagen der jeweiligen Abrechnung Rechnung getragen und deren innere Kohärenz sichergestellt werden. Eine Abweichung vom Willen des historischen Gesetzgebers sei nicht gegeben, weil es dem Geschädigten freistehe, durch Übergang auf eine konkrete Abrechnung tatsächlich angefallene Umsatzsteuer ersetzt zu erhalten (BGH v. 12.10.2021 – s.o. Rn. 18).
b) Die Begründung überzeugt. Tatsächlich lässt sich eine klare Grenzziehung nur durchhalten, wenn bei f...