Einführung
Nach Schätzungen des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft entsteht durch manipulierte Verkehrsunfälle jährlich ein Schaden von bis zu 2 Milliarden EUR. Um diese Fälle zu erfassen, hat sich zwischenzeitlich eine gefestigte Rechtsprechung entwickelt, die sich stetig fortentwickelt und die in ihrem wesentlichen Grundzügen mit diesem Beitrag dargestellt wird.
I. Zum Begriff der "Unfallmanipulation"
Unter dem Oberbegriff der Unfallmanipulation sind verschiedene Varianten betrügerischen Handelns zu erfassen.
1. Der verabredete Unfall
Die in der Praxis häufigste Variante besteht als sog. verabredeter Unfall darin, dass der vermeintlich Geschädigte in die Beschädigung seines Kraftfahrzeuges eingewilligt hat und das behauptete Unfallereignis zusammen mit dem Schädiger inszeniert. Der Nachweis dieser Einwilligung ist i.d.R. im Rahmen eines sog. Indizienbeweises zu führen: Ausschlaggebend ist dafür eine Gesamtwürdigung, bei der aus einer Indizienkette auf eine planmäßige Vorbereitung und Herbeiführung des vermeintlichen Unfalls geschlossen werden kann. Voraussetzung dafür ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit durch den Tatrichter, wobei diese Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig erklärt werden können.
Praxistipp: Einen Sonderfall des verabredeten Unfalls bildet das sog. Berliner Modell, bei dem die verabredete vorsätzliche Beschädigung eines abgestellten Fahrzeugs durch einen gestohlenen Pkw erfolgt, um dessen Haftpflichtversicherung in Anspruch zu nehmen. Üblicherweise wird dabei das den Schaden verursachende Kfz am vermeintlichen "Unfallort" zurückgelassen, um auf diese Weise die Feststellung des Ersatzverpflichteten zu erleichtern.
2. Der provozierte Unfall
Davon zu unterscheiden ist das provozierte Verkehrsunfallereignis, bei dem das angebliche "Unfallopfer" eine aus seiner Sicht klare Verkehrssituation mit dem unachtsamen Fahren eines anderen Verkehrsteilnehmers ausnutzt, um unter Zurückstellen jeglichen Vermeidungsverhaltens einen Schaden an seinem Fahrzeug zuzulassen. Derartige Fälle, die zugleich den Straftatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllen, werden häufig erst nach einer Reihe gleich ablaufender und auffälliger Unfallereignisse erfasst, dann aber auch mit der notwendigen Konsequenz entschieden – so beispielsweise in einem vom Verfasser betreuten Komplex, bei dem der Täter erst nach über 30 Unfällen in Serie aufgefallen war.
3. Der ausgenutzte Unfall
Eine weitere Form stellt schließlich der ausgenutzte Unfall dar. Bei diesem werden vom Anspruchssteller Schäden geltend gemacht, die entgegen seinem Vorbringen nicht auf dem Unfallereignis beruhen. Bei diesen Fällen kann es sich um einen abgesprochenen oder provozierten Unfall im o.g. Sinne handeln, mit dem zugleich das Ziel verfolgt wird, Vorschäden gewinnbringend abzurechnen, welche nicht dem Unfall zugeordnet werden können. Es kann sich aber auch um ein unfreiwilliges Schadensereignis handeln, welches der betroffene Geschädigte zum Anlass nimmt, einen bereits bestehenden Vorschaden im anstoßrelevanten Bereich zusätzlich als vermeintlich neuen Schaden zu deklarieren.
Praxistipp: Um welche der beiden Varianten es sich handelt, kann i.d.R. aufgrund der zur Vorschadenproblematik entwickelten Rechtsprechung dahinstehen, wenn sich die geltend gemachten Schäden nicht als geschlossene Lösung dem behaupteten Unfallereignis zuordnen lassen.
II. Unfallmanipulation und der "so nicht Unfall"
Erfolgt durch die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des (angeblichen) Unfallverursachers der Einwand eines sog. manipulierten Unfallereignisses in Form eines verabredeten Verkehrsunfalls, hat sich in der Rechtsprechung eine klare Beweislastverteilung bei den dabei regelmäßig im Prozess streitigen Anspruchsvoraussetzungen entwickelt. Dabei kann der Fallgruppe des sog. "so nicht Unfalls" eine besondere Bedeutung zukommen.
1. Grundsätze der Beweislastverteilung
Der Anspruchssteller hat erst einmal nachzuweisen, dass der behauptete Verkehrsunfall tatsächlich stattgefunden hat und die geltend gemachten Schäden an seinem Kfz darauf beruhen. Gelingt ihm dieser Nachweis, obliegt es sodann dem Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer des Unfallgegners, zu beweisen, dass der Anspruchssteller in die Beschädigung eines Kfz eingewilligt hat. Bevor der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer aber eine solche Einwilligung im Rahmen eines Indizienbeweises nachzuweisen hat, trifft den Anspruchssteller – quasi auf der ersten Ebene – die Beweislast dafür, dass der Unfall sich tatsächlich wie behauptet abgespielt hat. Gerade wenn Anhaltspunkte für einen manipulierten Verkehrsunfall bestehen und die Gegenseite bestreitet, dass der behauptete Unfall erstens überhaupt und zweitens in der geschilderten Weise stattg...