ZPO § 130 Nr. 6 § 520 Abs. 5
Leitsatz
Wird ein bestimmender, grundsätzlich von einem zur Vertretung berechtigten Rechtsanwalt eigenhändig zu unterzeichnender Schriftsatz – hier Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO) – von dem den Schriftsatz verfassenden Rechtsanwalt nicht unterzeichnet und vom unterzeichnenden Rechtsanwalt nicht verantwortet, fehlt es an einer wirksamen Unterschrift (im Anschluss an BGH, Urt. v. 19.10.1988 – IVb ZR 5/88, NJW 1989, 394 unter II 1; BGH, Beschl. v. 23.6.2005 – V ZB 45/04, NJW 2005, 2709 unter III 2 a und BGH, Beschl. v. 14.3.2017 – VI ZB 34/16, NJW-RR 2017, 686 Rn 7 ff.). (Rn.8)
BGH, Beschl. v. 6.12.2022 – VIII ZA 12/22
1 Sachverhalt
[1] I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten die Zahlung rückständiger Miete geltend. Widerklagend begehrt der Beklagte die Rückzahlung von – aus seiner Sicht – überzahlter Miete. Das Amtsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 1.022,29 EUR nebst Zinsen verurteilt. Seine Widerklage hat es abgewiesen.
[2] Die gegen das erstinstanzliche Urteil gerichtete Berufung des Beklagten hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Die Berufung sei nicht fristgerecht in der gebotenen Form begründet worden. Es mangele an der eigenhändigen Unterschrift eines Rechtsanwalts (§ 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO). Zwar sei die Berufungsbegründung unterschrieben. Jedoch habe der unterzeichnende Rechtsanwalt seine Unterschrift mit folgendem Zusatz versehen:
"Unterzeichnend für den vom Kollegen verfassten und verantworteten Schriftsatz als Kammervertreter."
[3] Damit habe er unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, den Inhalt des von ihm unterzeichneten Schriftsatzes nicht verantworten zu wollen. Da der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, der den Schriftsatz verfasst habe, diesen nicht unterzeichnet habe, fehle es im Ergebnis an der Unterschrift eines Rechtsanwalts, welcher für den Inhalt der Berufungsbegründungsschrift die Verantwortung übernehme.
[4] Der Beklagte beantragt für eine gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts beabsichtigte Rechtsbeschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
2 Aus den Gründen:
[5] II. Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO).
[6] 1. Gegen einen Beschluss, mit dem die Berufung als unzulässig verworfen wird, findet gemäß § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO die Rechtsbeschwerde statt. Diese ist gemäß § 575 Abs. 1, 2 ZPO binnen einer Frist von einem Monat ab Zustellung des angefochtenen Beschlusses einzulegen und zu begründen. Vorliegend kann offen bleiben, ob dem Beklagten angesichts lückenhafter Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) in die versäumte Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren wäre (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 16.11.2017 – IX ZA 21/17, NJW-RR 2018, 190 Rn 4 ff.; v. 27.7.2021 – XI ZA 1/21, juris Rn 3 ff.). Denn das Rechtsmittel ist nur unter den (weiteren) Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, die hier nicht erfüllt sind. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Insbesondere verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. Senatsbeschl. v. 28.1.2020 – VIII ZB 39/19, NJW-RR 2020, 499 Rn 11; v. 13.4.2021 – VIII ZB 80/20, juris Rn 9; jeweils m.w.N.).
[7] 2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen der § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO genügt, wonach diese die Unterschrift der Person – hier des Rechtsanwalts (§ 78 Abs. 1 ZPO) – enthalten muss, die den Schriftsatz verantwortet, weil sich der die Berufungsbegründung unterzeichnende Rechtsanwalt von dem unterschriebenen Schriftsatz distanziert hat. Es hat deshalb die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zu Recht als unzulässig verworfen.
[8] a) Als bestimmender Schriftsatz muss die Berufungsbegründung grundsätzlich von einem zur Vertretung berechtigten Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein (§ 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO; st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. v. 23.6.2005 – V ZB 45/04, NJW 2005, 2709 unter III 2 a aa m.w.N.). Die Unterzeichnung der Berufungsbegründung durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt stellt keine bloße Formalität dar. Sie ist zugleich äußerer Ausdruck für die von dem Gesetz geforderte eigenverantwortliche Prüfung des Inhalts der Begründungsschrift durch den Anwalt. Mit den Regelungen über den Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO) und über den notwendigen Inhalt einer Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 3 ZPO) soll erreicht werden, dass ein mit dem Verfahren vertrauter Rechtsanwalt dem Gericht und dem Gegner den Sachverhalt unter bestim...