POG Rheinl.-Pfalz § 22 § 25; VwGO § 123 Abs. 1; StGB § 315c
Leitsatz
1. Die präventive Vorschrift des § 22 Nr. 1 POG Rheinl.-Pfalz über die Sicherstellung von Sachen knüpft an eine konkrete und gegenwärtige Gefahr an, setzt also für eine Sicherstellung von Kraftfahrzeugen eine im Einzelfall bestehende Gefahr eines in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang drohenden Verkehrsverstoßes voraus (vgl. insofern auch Art. 25 Nr. 1 BayPAG und dazu: BayVGH, Urt. v. 26.1.2009 – 10 BV 08.1422 –, BayVBl 2009, 432 = DAR 2009, 218).
2. Nach § 22 POG Rheinl.-Pfalz kann die Polizei ein Fahrzeug nach einem rücksichtslos, grob verkehrswidrig und gefährlichen Überholmanöver – bei dem es nur aufgrund des Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer nicht zu einem Unfall mit Personen- und Sachschaden gekommen ist – aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles zur Gefahrenabwehr sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Diese Voraussetzungen sind gegeben, wenn im Zeitpunkt der Sicherstellung ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der völlig unbeeindruckte, uneinsichtige und unbelehrbare Ehemann der Fahrzeugeigentümerin mit dem auf sie zugelassenen und ausschließlich von ihm gefahrenen Sportwagen in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche Verkehrsverstöße begehen wird.
3. Diese Gefahrensituation kann bei Erlass der Sicherstellungsanordnung fortbestehen, auch wenn dem Fahrer zu diesem Zeitpunkt die Fahrerlaubnis bereits vorläufig entzogen worden ist: Auch wenn es keinen allgemeinen Erfahrungssatz gibt, wonach ein von der Polizei ertappter "Verkehrssünder" sich generell unbelehrbar zeigt und von den ihm angedrohten Bußgeldern, Fahrverboten und Punkten unbeeindruckt bleibt, ist dies nämlich dann der Fall, wenn im Einzelfall aufgrund des Verhaltens und Fehlens jeglicher Einsicht des Fahrers davon ausgegangen werden muss, dass die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht ausreicht, um einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch weitere erhebliche Verkehrsverstöße mittels des von ihm geführten Fahrzeugs (im Fall: Typ Porsche), zu begegnen. (Leitsätze der Schriftleitung)
OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 29.8.2023 – 7 B 10593/23.OVG
1 Anmerkung
Hinweis: Damit wurde die Beschwerde gg. die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschl. v. 22.6.2023 – 5 L 485/23.NW, zurückgewiesen. Dort in Rn 30 insbes. auch zu den sog. Gemengelagen, in denen die Polizei sowohl repressiv als auch präventiv agieren kann und will: hier bleiben strafprozessuale und gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen grundsätzlich nebeneinander anwendbar (vgl. auch BGH, Beschl. v. 26.4.2017 – 2 StR 247/16, BGHSt 62, 123 = juris, Rn 25 ff.; s.a. BVerwG, Beschl. v. 22.6.2001 – 6 B 25/01, juris).
Zur Problematik s.a. BayVGH, Urt. v. 26.1.2009 – 10 BV 08.1422, BayVBl 2009, 432 = DAR 2009, 218, dessen Leitsatz lautet: "Art. 25 Nr. 1 PAG liefert keine Rechtsgrundlage dafür, an Unfallschwerpunkten bei erheblichen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung generell Fahrzeuge für einen oder mehrere Tage sicherzustellen."
Zur Sicherstellung von Fahrzeugen zur Gefahrenabwehr und Eigentumssicherung vgl. auch Weber, Die polizeirechtliche Sicherstellung von Fahrzeugen, NZV 2020, 351.
zfs 3/2024, S. 179 - 180